Kaelter als dein Grab
In der Hoffnung, dass der Trick mit seiner Jacke funktionieren möge, legte Jake wieder den Rückwärtsgang ein und trat aufs Gas. Die Räder drehten einen Moment lang durch und fanden dann Halt. Der Wagen machte einen Satz nach hinten.
Doch der zweite SUV hatte sie bereits eingeholt. Er hörte Schüsse. Zuerst dachte er, dass Leigh noch Munition übrig hatte und sie gut verwendete. Dann riss eine Kugel ein faustgroßes Loch in den Kotflügel links vorne.
„Runter!“
Er wartete nicht, bis Leigh reagierte, sondern drückte sie mit der rechten Hand nach unten. Dann griff er nach seiner Pistole auf dem Sitz und zielte. Der erste Schuss verfehlte sein Ziel. Der zweite zerschmetterte die Windschutzscheibe. Der dritte Schuss zerfetzte den rechten Vorderreifen.
Er ließ die Waffe fallen, riss das Lenkrad herum und trat das Gaspedal voll durch.
Als er zu Leigh hinüberblickte und Blut sah, blieb ihm fast das Herz stehen.
9. KAPITEL
„Leigh!“
In den Jahren, seit er bei der MIDNIGHT Agency war, hatte Jake in vielen brenzligen Situationen gesteckt. Doch nichts, was er je erlebt hatte, ließ sich mit der Angst vergleichen, die er jetzt verspürte. Als er den immer größer werdenden Blutfleck auf ihrem Mantel sah, krampften sich seine Eingeweide zusammen.
Sie kniete auf dem Boden und stöhnte vor Schmerz, als sie wieder auf den Sitz kletterte. Ein Blick in ihr Gesicht, und ihm wurde ganz flau. Sie war blass. Zu blass. Er konnte an nichts anderes mehr denken als daran, dass sie ernsthaft verletzt war und vor seinen Augen verbluten würde.
„Mein Gott, wie schlimm ist es?“
Ohne auf eine Antwort zu warten, beugte er sich hinüber und legte ihr die Hand auf den Rücken. Voller Panik starrte er auf das viele Blut auf ihrem Mantel, auf seiner Hand, auf den hellroten Fleck, der sich ausbreitete. Lieber Gott, es musste eine schwere Verletzung sein.
„Oh, Kleine.“ Jake blickte gerade rechtzeitig wieder auf, um den Wagen vom Seitenstreifen auf die Straße zurückzulenken.
„Jake, ich glaube nicht, dass es schlimm ist.“
Er glaubte ihr nicht. Schusswunden konnten täuschen, erst recht, wenn man unter Schock stand. Er hatte sich geschworen, dass ihr nichts geschehen würde. Hast es wieder einmal verbockt, nicht wahr, du Überflieger?
Er musste anhalten und sie untersuchen, musste sicherstellen, dass sie nicht lebensgefährlich verletzt war. Doch er wusste, dass die ganze Situation noch tödlicher wurde, wenn Rasmussens Männer sie erwischten. Ein platter Reifen würde ihnen nur einen kleinen Zeitvorsprung gewähren. Er hatte vor, das Beste daraus zu machen.
„Wo bist du getroffen?“, fragte er.
„Hinten an der Schulter.“
Er blickte sie an. Sein Magen revoltierte angesichts des Blutes. Ihres Blutes. „Wie fühlst du dich. Ist dir schwindlig? Heiß?“
„Ich habe eine Scheißangst.“
„Es wird alles gut. Ich verspreche es dir.“ Er umklammerte das Lenkrad fester. „Hast du Schmerzen?“
„Es fängt an, aber es wird noch dauern.“
Das glaubte er nicht. „Ich suche uns was, wo wir anhalten können.“
„Wenn du anhältst, erwischen sie uns.“
Angesichts des Schneegestöbers lächelte er fast. „Nein, das werden sie nicht.“
Es dauerte fast eine Stunde, bis er einen geeigneten Ort für einen Stopp fand. Wobei geeignet ein relativer Begriff war. Es handelte sich um einen verlassenen Getreidespeicher außerhalb von Decatur, Illinois. Jake hatte ihn ausgewählt, weil es dort eine versteckte Ladezone gab, wo die Trucks beladen und gewogen wurden. Von der Straße auswar sie nicht einzusehen. Und sie bot Schutz vor dem Sturm. Mit ein wenig Glück würden sie hier die Nacht überleben.
Er fuhr den Wagen auf den Parkplatz und bog in die Ladezone ein, wo er anhielt. Leigh neben ihm saß still da. In der Stunde, die er gebraucht hatte, um den Speicher zu finden, war sie die ganze Zeit ruhig und optimistisch geblieben. Er wusste, dass sie ihn nicht beunruhigen wollte. Doch in ihrem Gesicht las Jake, dass sie Schmerzen hatte und sich Sorgen machte. Und es zerriss ihn innerlich, weil dies alles sein Fehler war.
Vielleicht hätte er sie MIDNIGHT übergeben sollen, anstatt die Sache eigenmächtig zu übernehmen. Doch er bezweifelte, dass sie dort in Sicherheit war. Rasmussen hatte sich in das Zeugenschutzprogramm eingehackt. Etwas, das Jake und jeder andere immer für unmöglich gehalten hatten. Und falls Mike Madrid Jakes Versteck verraten hatte, wem konnte er dann bei der Agency überhaupt noch
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