Kälteschlaf - Indriðason, A: Kälteschlaf - Harðskafi
aufgehört hatte, und sich den Kopf darüber zerbrochen, wie es Sindri gelungen war, diese Leute dazu zu bringen, ihren Hausgenossen gegenüber etwas rücksichtsvoller zu sein.
»Ach, die waren eigentlich ganz harmlos. Das Mädchen hatte so’n Piercing in der Augenbraue. Es hat sich ein bisschen aufgespielt. Ich hab ihnen nur erzählt, dass du einer von diesen knallharten Geldeintreibern wärst, weshalb du regelmäßig im Knast wärst, und du hättest was gegen diesen Krach.«
»Ich hab schon gedacht, die wären vielleicht ausgezogen«, sagte Erlendur.
»Du spinnst wohl!«, rief Eva Lind und sah ihren Bruder an. »Wieso lügst du für ihn?«
»Der Krach war irre«, sagte Sindri entschuldigend.
»Hast du über das Treffen mit Mama nachgedacht?«, fragte Eva ihren Vater. »Bist du damit einverstanden?«
Erlendur antwortete nicht sofort. Er hatte kaum Zeit gehabt, um über das nachzudenken, was Eva da in die Wege leiten wollte. Er hatte nicht die geringste Lust, seine Exfrau und die Mutter seiner Kinder zu treffen, doch er wollte auch Evas Initiative nicht kleinreden. Sie schien irgendwie ein neues Hobby gefunden zu haben.
»Was versprichst du dir davon?«, fragte er.
Erlendur sah seine Kinder an, die ihm auf dem Sofa gegenübersaßen. Sie kamen in letzter Zeit immer häufiger zu ihm zu Besuch, zuerst Sindri, nachdem er aus den Ostfjorden, wo er in einer Fischfabrik gearbeitet hatte, wieder nach Reykjavík zurückgekehrt war, und dann auch Eva Lind, nachdem sie angefangen hatte, etwas gegen ihre Sucht zu unternehmen. Er freute sich immer über ihre Besuche, vor allem, wenn beide zusammen kamen. Er freute sich über das anscheinend gute Verhältnis, das sie zueinander hatten. Eva Lind als ältere Schwester war ziemlich dominierend und übernahm manchmal die Rolle der Erzieherin. Sindri bekam es ungeschminkt zu hören, wenn ihr etwas nicht passte. Erlendur hatte den Verdacht, dass sie auch schon in früheren Jahren nicht selten die Verantwortung für ihn übernommen hatte. Sindri war zwar durchaus imstande, seiner Schwester Kontra zu geben, aber er war ihr gegenüber nie boshaft oder ungeduldig.
»Ich glaube, es wäre gut für euch beide«, sagte Eva Lind. »Ich kapiere nicht, weshalb ihr nicht ein einziges Mal miteinander reden könnt.«
»Weshalb mischst du dich da ein?«
»Weil ich eure Tochter bin.«
»Und was hat sie gesagt?«
»Sie hat gesagt, sie würde es machen. Sie will dich treffen.«
»Musstest du sie sehr unter Druck setzen?«
»Ja, ihr seid euch total ähnlich. Keine Ahnung, wieso ihr euch überhaupt getrennt habt.«
»Weshalb ist das so unerhört wichtig für dich?«
»Ihr müsst doch miteinander reden können«, sagte Eva Lind. »Ich will, dass endlich mit dieser Situation Schluss ist. Ich habe … Sindri auch – wir beide haben euch noch nie zusammen gesehen. Findest du das nicht komisch? Findest du das ganz normal, dass Kinder ihre Eltern nie zusammen erlebt haben?«
»Das ist doch wahrhaftig kein Einzelfall«, entgegnete Erlendur und richtete seine Worte an Sindri. »Bestehst du auch darauf?«
»Mir ist das scheißegal«, erklärte Sindri. »Eva versucht, mich da reinzuziehen, aber mir ist es …«
»Du hast ja keine Ahnung, wovon du redest, du Blödmann«, fuhr Eva Lind ihn an.
»Ja, genau. Es nützt auch nichts, wenn man ihr sagt, dass es total bescheuert ist. Falls du und Mama daran interessiert wärt, miteinander zu reden, hättet ihr das schon längst getan. Eva will sich da nur einmischen. Wie immer. Sie kann es einfach nicht lassen. Sie mischt sich in alles ein, besonders in Dinge, die sie absolut nichts angehen.«
Eva Lind sah ihren Bruder wütend an.
»Du bist ein Idiot«, fauchte sie.
»Eva, meiner Meinung nach solltest du das am besten auf sich beruhen lassen«, sagte Erlendur. »Es ist …«
»Sie ist dazu bereit«, sagte Eva Lind hartnäckig. »Ich hab zwei Monate gebraucht, um sie rumzukriegen. Du hast keine Ahnung, was für Anstrengungen mich das gekostet hat.«
»Ja, ja, ich verstehe zwar, was du da versuchst, aber im Ernst, ich traue mir das einfach nicht zu.«
»Weshalb nicht?«
»Es ist … Zwischen deiner Mutter und mir ist seit Langem alles vorbei, und es würde niemandem etwas helfen, das alles wieder aufzurühren. Das ist doch alles längst gegessen. Vorbei. Schluss, aus. Meiner Meinung nach ist das der beste Umgang damit, und man sollte lieber versuchen, nach vorn zu blicken.«
»Ich hab’s dir ja gesagt«, erklärte Sindri und sah seine
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