Kaeltezone
und zündete sich eine Zigarette an. »Ich glaube, es ist ziemlich lange her, seit Eva in Ordnung war«, sagte er.
Sie saßen eine Weile schweigend da und tranken schwarzen Kaffee.
»Warum hast du es hier drin bei dir so dunkel?«, fragte Sindri und blickte in Richtung Wohnzimmer, wo dicke Vorhänge die Abendsonne draußen hielten.
»Zu viel Helligkeit«, sagte Erlendur. »Vor allem abends und nachts«, fügte er nach einer Weile hinzu. Er ließ es dabei bewenden und ging nicht weiter auf das Thema ein. Er sagte Sindri nicht, dass er winterliche Dunkelheit und pechschwarze Nächte dieser ewigen Sommersonne und der Helligkeit, die sie rund um die Uhr ausstrahlte, vorzog. Er wusste selber nicht, woher das kam. Er wusste nicht, warum er sich in dunklen Wintern wohler fühlte als in hellen Sommern.
»Wo hast du sie aufgetrieben?«, fragte er. »Wo hast du Eva gefunden?«
»Sie hat eine Nachricht auf meinem Handy hinterlassen, und ich habe zurückgerufen. Wir haben immer Verbindung gehabt, auch als ich auf dem Land war. Wir haben uns immer gut verstanden.«
Er machte eine kleine Pause und schaute seinen Vater an. »Eva ist prima.«
»Ja«, sagte Erlendur.
»Im Ernst«, sagte Sindri. »Wenn du sie gekannt hättest, als sie noch …«
»Das brauchst du mir nicht unter die Nase zu reiben«, unterbrach Erlendur ihn, ohne sich darüber im Klaren zu sein, wie schroff er klang. »Das weiß ich nur zu gut.«
Sindri saß stumm da und sah seinen Vater an. Dann drückte er die Zigarette aus und stand auf.
»Danke für den Kaffee«, sagte er.
»Willst du schon gehen?«, fragte Erlendur und erhob sich ebenfalls. Er ging Sindri hinterher. »Wo willst du hin?«
Sindri gab ihm keine Antwort, sondern nahm seine abgewetzte Jeansjacke vom Sofa und zog sie an. Erlendur sah ihm zu. Er wollte nicht, dass Sindri ihn im Streit verließ.
»Ich wollte nicht …«, begann er. »Es ist nur … Eva ist … Ich weiß, dass ihr euch gut versteht.«
»Was weißt du schon über Eva«, sagte Sindri. »Wieso glaubst du, dass du etwas über Eva weißt?«
»Stell sie bloß nicht auf ein Podest«, sagte Erlendur. »Das hat sie nicht verdient. Und das würde sie selber auch nicht wollen.«
»Das tu ich ja gar nicht«, entgegnete Sindri, »aber du brauchst dir auch nicht einzubilden, dass du Eva kennst. Bilde dir das bloß nicht ein. Und was weißt du darüber, was sie verdient hat?«
»Ich weiß, dass sie ein Junkie ist, verdammt noch mal«, stieß Erlendur hervor. »Braucht man mehr zu wissen? Sie denkt gar nicht daran, ihr Problem in Angriff zu nehmen. Du weißt, dass sie ein Kind verloren hat. Die Ärzte haben gesagt, dass sie, gemessen an dem, was sie während der Schwangerschaft an Drogen genommen hat, noch glimpflich davongekommen ist. Setz dich nicht aufs hohe Ross wegen deiner Schwester. Das dämliche Mädchen ist mal wieder versackt, und ich habe einfach keine Lust mehr, mich mit diesem verfluchten Schwachsinn rumzuschlagen.«
Sindri hatte schon die Tür aufgemacht und stand halb auf dem Gang. Er hielt inne und blickte über die Schulter zurück auf seinen Vater. Dann drehte er sich um, kam wieder in die Wohnung, schloss die Tür und ging auf Erlendur zu. »Mich wegen meiner Schwester aufs hohe Ross setzen?«, wiederholte er.
»Sieh es doch mal realistisch«, sagte Erlendur. »Mehr will ich nicht sagen. Solange sie selber nichts unternimmt, können wir ihr verdammt wenig helfen.«
»Ich kann mich gut daran erinnern, als Eva noch nicht abhängig war«, sagte Sindri. »Kannst du dich daran erinnern?«
Er stand jetzt dicht vor seinem Vater, und Erlendur sah die Wut in seinen Bewegungen, seinem Gesicht, seinen Augen.
»Kannst du dich an Eva erinnern, als sie noch nicht mit Dope angefangen hatte?«, sagte er noch einmal.
»Nein«, sagte Erlendur, »das kann ich nicht. Das weißt du ganz genau.«
»Ja, das weiß ich ganz genau«, sagte Sindri.
»Fang du jetzt nicht auch noch an, mir Vorhaltungen wegen diesem Quatsch zu machen«, sagte Erlendur. »Das hat sie schon zur Genüge getan.«
»Wir sind also bloß Quatsch …«
»Herrgott noch mal«, stöhnte Erlendur. »Hör auf damit. Ich will mich nicht mit dir streiten. Ich will mich auch nicht mit ihr streiten, und ich will auf gar keinen Fall wegen ihr streiten.«
»Du weißt rein gar nichts, oder?«, sagte Sindri. »Ich habe Eva getroffen, vorgestern. Sie ist mit einem Typ zusammen, der Eddi heißt und zehn oder fünfzehn Jahre älter ist als sie. Er ist völlig ausgeklinkt. Er
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