Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe
Schiffbruch, Stranden, Unwetter, Streik, Meuterei, Revolution, Krieg, Pest oder Piraten zu tragen.
Auf den Decks schwirrte es von «Sirs» und «Madams», als die Stewards, die bereits genau die Höhe der voraussichtlichen Trinkgelder berechneten, sich des Gepäcks bemächtigten. Prittlewell hatte beim Laufsteg der ersten Klasse Aufstellung genommen, wo er unter Verbeugungen die ersten Forderungen und Klagen in gewinnender Form abbog; die Schiffsoffiziere blickten neugierig vom Bootsdeck herüber und taxierten jedes an Bord kommende Mädchen durch die Spiegelscheiben der Brücke; und Shawe-Wilson stolzierte mitten unter den hereinströmenden Passagieren, den überraschten Matrosen kurze Kommandoworte zurufend, sooft er einer ausreichenden Zuhörerschaft sicher war.
Der einzige Müßige auf dem von so regem Leben erfüllten Schiff war Ebbs. Da niemand seiner zu bedürfen schien und er schwerlich jemand dazu auffordern konnte, saß er einsam in seiner Kabine und brütete peinvoll über seinen schlimmen Vorahnungen. Er war kein phantasiebegabter Geselle, doch wie er so durch die Bullaugen auf den immer dichter fallenden Schnee blickte, der in Kürze auf seine eigenen Wind und Wetter ausgesetzten Schultern fallen würde, konnte er deutlich mindestens ein Dutzend raffinierter Schicksalsschläge erkennen, die nur zu bald die Charlemagne heimsuchen würden.
Von vier Schleppern, die wir junge Hunde mit ihren Leinen spielten, in den heftigen Wind hinausgezerrt, setzte sich das Schiff in Fahrt, während der BBC-Ansager, schön warm und trocken im Senderaum sitzend, gemütlich schwere drohende Stürme über Dover, Wight, Portland und Plymouth, also gerade auf der Route, ankündigte. Von der ersten Salve splitternden Glases an, als die Charlemagne in die gereizten Fluten des Kanals stampfte, begannen die Passagiere unter dem Ansturm des Wetters zu schwanken und zu taumeln. Kläglich lagen sie da und klammerten sich an die Handleisten ihrer springlebendigen Kojen, während das Schiff trauernd von England abgekehrt durch die Nacht dampfte, und am nächsten Morgen erschienen nur ein paar Unentwegte auf den regennassen Decks und riefen einander mutig ein «In der Bay wird's noch schlimmer sein!» zu. Dann nahm es bei der Insel Ushant Kurs nach Süden und durchquerte die kriegerischen Brecher des Atlantiks, die auf die Küste Frankreichs zustießen; und da stöhnten sogar diese Beherzten in ihren Kabinen oder starrten wie betäubt auf die blau-goldenen Kärtchen, die über jedem Waschbecken befestigt waren und die Worte trugen:
Das Schiff verminderte seine Geschwindigkeit, als das Tafelgeschirr wie reifes Obst im Herbst herabzufallen begann und die Beine der Menschen und Möbel gefährdet wurden; danach hüpfte und zitterte es die ganze lange Küste der Pyrenäischen Halbinsel hinab, vom Kap Finisterre angefangen bis zum Kap São Vicente. Die Besatzung hatte noch nie ein solches Unwetter erlebt, nicht einmal die alten Matrosen, die die Meinung vertraten, daß die modernen Stürme, ähnlich dem modernen Bier, nichts von ihrer früheren männlichen Kraft behalten hätten. Dem regen Schifferaberglauben gemäß mußte die Schuld an diesem Mißgeschick irgend jemandem in die Schuhe geschoben werden, und wenn auch einige Matrosen die sechs Pfarrer bezichtigten, die jetzt drunten in ihren Kojen geschwächt hin und her rollten, war es doch den meisten von ihnen klar, daß Ebbs der unselige Jonas war, der den Zorn des Himmels auf sie herabbeschworen hatte.
Die Charlemagne erreichte Gibraltar, ohne daß eine Änderung des Wetters eingetreten wäre. Dann erst ließen Sturm und Meer erschöpft von ihr ab, die Sonne ging in schamlosem Glanz auf, und das schiff segelte um den Felsen herum in einen Morgen hinein, dessen weiter blauer Himmel mit schnellen, zierlichen weißen Wölkchen gepunktet war. Ein warmer Wind wehte durch die wieder geöffneten Bullaugen und blies den üblen Geruch nach Erbrochenem weg, die Decks begannen in der Sonne zu dampfen und zu trocknen, und die Passagiere tauchten empor, als entstiegen sie am Auferstehungstage ihren Gräbern.
Ebbs kehrte fröhlich von der Brücke in seine Kabine zurück und warf seinen feuchten Überzieher auf ein rosafarbenes Sofa.
«Da riecht's herrlich!» rief er und rieb sich die Hände.
«Guten Morgen, Sir», sagte Albert Burtweed, der «Tiger» 1 des Kapitäns. «Ihr Frühstück ist
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