Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe

Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe

Titel: Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
Vom Netzwerk:
da. » Er hob den Deckel einer Silberschüssel auf dem wieder stabil gewordenen Tisch, als präsentierte er den Sammelteller in der Kirche. «Nieren, Schinken und Haché, Sir.»
    Der Tiger war ein mageres, adrettes Männchen mit ovalen, goldgeränderten Augengläsern und einem Kahlkopf, um den ein Kranz weißen Flaumhaars lief; seine weit auseinandergespreizten Zehen waren ein böses Kennzeichen jenes Leidens, das bei den Schiffsstewards unter dem Namen «Cunard-Plattfüße» bekannt ist. Ohne seine weiße Pole-Star-Jacke hatte er das freundlich-bescheidene Aussehen eines pensionsreifen Beamten oder unterernährten Hilfsgeistlichen; doch er war ein waschechter Seemann, von tiefem Mißtrauen gegen jeden Pflasterstein erfüllt, und in die fünf Erdteile war er nicht tiefer eingedrungen als bis zur ersten Hafenkneipe, in der er ein Glas Bier kaufen und zärtlich über England sprechen konnte. Burtweed besaß weder ein Dach noch Verwandte an Land und lebte ständig auf seinem Schiff; nur während es desinfiziert und überholt wurde - zu jenen Zeiten also, da er sich gezwungenermaßen von ihm trennen mußte-, wohnte er auf den zugigen Gängen des Matrosenheims. Er war der geborene Diener, ein Typ, der heutzutage am festen Land in Vergessenheit geraten und selbst auf See selten geworden ist; seit mehr als vierzig Jahren balancierte er nun geschickt die Tablette durch die Korridore der Pole-Star-Dampfer und brachte es einfach nicht zustande, die Suppe ohne Würde zu servieren oder ein Taschentuch nicht perfekt zu falten.
    «Unser Start stand unter einem üblen Vorzeichen, Sir», sagte Burtweed, indem er eine Serviette über den Schoß seines Gebieters breitete, als dieser sich niedersetzte. Bis jetzt hatte sich ihm noch nicht die Gelegenheit geboten, Ebbs richtig kennenzulernen, doch schon erblickte er in ihm «seinen Kapitän», wie ein Bauernknecht sich einem Stier oder einer Mastsau gegenüber einstellt, die er zu füttern und zu pflegen hat; und er war entschlossen, ihn zu einem Preisträger zu machen.
    «Doch nicht so ganz, Burtweed», sagte Ebbs angeregt. «Wir können eine gute Lehre daraus ziehen. Ich habe das Schiff im schlechtesten Wetter, das möglich ist, zu führen gelernt, und wenn das auch recht anstrengend war, habe ich in dieser Hinsicht nichts mehr zu fürchten. Nun kann ich meine Energien mehr meinen gesellschaftlichen Verpflichtungen zuwenden.»
    «Werden Sie am Lunch im Salon teilnehmen, Sir?»
    Ebbs schluckte einen Happen Nieren herunter und schüttelte den Kopf. Bis jetzt hatte er seine Mahlzeiten auf der Brücke eingenommen und war, von seiner Kabine abgesehen, kaum tiefer in das Schiff vorgedrungen. «Das ich seit unserer Abfahrt aus London die Kleider nicht abgelegt habe, fühle ich mich berechtigt, mich während des
    Vormittags zurückzuziehen. Bringen Sie mir bitte gegen zwei Uhr eine Kanne Tee mit Brot und Jam.»
    «Gewiß, Sir. Und das Dinner, Sir?»
    «Zu diesem Zeitpunkt, stelle ich mir vor, werde ich mich so weit erholt haben, um den Passagieren gegenübertreten zu können. Ich hoffe nur, daß sie dieselbe Seelenstärke aufbringen.»
    «Sehr wohl, Sir. » Burtweed warf einen scheuen Blick auf Ebbs' paar Habseligkeiten, die spärlich über die Kabine verstreut waren. Da gab es einen mit Brandmalerei verzierten Pfeifenständer, eine Fotografie seines Kadettenjahrgangs in einem Rahmen aus Laubsägearbeit, einen Tabaktopf in Form eines geköpften Figurenkruges, eine Matte aus Tauen, die er auf seiner ersten Fahrt gewebt hatte, einen Briefbeschwerer in Gestalt einer züchtigen Seejungfer, einige Freiexemplare von Dickens' Werken zwischen einem Paar Eulen, einen kleinen, nicht identifizierbaren Gegenstand mit der Aufschrift Un cadeau de Cherbourg, einen Farbdruck des Schlosses von Windsor, ein Tintenfaß, das in einem Hufeisen aufgehängt war, und einen hundertjährigen Kalender, der sowohl für die Vergangenheit als auch für die Zukunft galt.
    «Sind Sie mit der Einrichtung zufrieden, Sir?» fragte er.
    «Vollkommen, danke sehr, Burtweed. Ich muß allerdings gestehen, daß ich mir in diesen Appartements etwas verloren vorkomme. Ich nehme an, daß Kapitän Buckle sich mit der Zeit an sie gewöhnt hat?»
    «Der arme Herr hat ein Hobby gehabt, das viel Platz brauchte, Sir», sagte Burtweed kummervoll und hob Ebbs' Überzieher auf. «Die meiste Zeit auf See verbrachte er damit, Möbelstücke anzufertigen. Bei allem gehörigen Respekt für ihn muß ich doch sagen, daß es mir eine große

Weitere Kostenlose Bücher