Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe
der Kerl eigentlich die ganze Zeit? Wir können doch nicht das ganze Schiff so lange warten lassen! Mr. Brickwood! »
«Sir?»
«Nehmen Sie bitte meinen Posten ein.»
«Ay ay, Sir.»
Ebbs schritt zur Leiter, die zum Promenadendeck führte, blickte hinab und überraschte Shawe-Wilson dabei, wie er auf der Nabelgegend einer vor Bereitschaft glühenden Blondine einen Kreuzknoten demonstrierte.
«Mr. Shawe-Wilson», sagte er später, als ein Quartermeister den Ersten Offizier taktvoll auf die Brücke beordert hatte, «ist es denn unbedingt notwendig, daß Sie die Passagiere beim Bootsmanöver so -äh, so intim instruieren?»
«Mir erscheint es wichtig, Sir, ihnen zu zeigen, wie man eine Schwimmweste anlegt», erwiderte dieser sanft.
«Gewiß. Aber Sie hätten dies doch genauso wirksam an einem Quartermeister demonstrieren können?»
«Ich kann nicht umhin, Ihnen mitzuteilen, Sir, daß Sir Angus McWhirrey mich persönlich zu der Art und Weise beglückwünschte, wie ich mit den Passagieren bei den Bootsmanövern umgehe.»
«Mr. Shawe-Wilson», sprach Ebbs bedachtsam, «Sie verfügen über das unglückselige Talent, mich alle paar Stunden so weit zu bringen, daß ich die Nerven zu verlieren drohe. Können Sie nichts dagegen unternehmen? Ich weiß, Sie halten mich für einen vertrottelten Zittergreis, aber Sie sollten jetzt schon erfaßt haben, daß es zur Aufgabe des Ersten Offiziers gehört, mit vertrottelten Zittergreisen zu tun zu haben. Gibt es irgendeinen Grund dagegen, daß wir in vollkommener Harmonie miteinander arbeiten?»
Shawe-Wilson schob die Unterlippe vor.
«Natürlich gibt es keinen», fuhr Ebbs fort. «Schon jetzt finde ich genug Schwierigkeiten auf dem Schiff vor, wie Sie sicherlich nur zu gut wissen. Lassen Sie uns bitte das Kriegsbeil begraben. Die Cocktail-Party heute abend scheint hierfür eine äußerst passende Gelegenheit zu sein. Es ist wirklich nicht einzusehen, warum Sie und ich nicht miteinander glänzend auskommen sollten.» Er schneuzte sich. «Wollen wir also wieder von vorne beginnen, Mr. Shawe-Wilson. Für den Augenblick will ich weiter nichts sagen. Lassen Sie bitte abtreten.»
9
Die Cocktail-Party des Kapitäns pflegte offiziell den Wirbel der gesellschaftlichen Ereignisse auf der Charlemagne einzuleiten, und die hochgeschätzten Einladungsbilletts, die unter auserwählte Kabinentüren geschoben wurden, standen an Bord in einem Ansehen, als wären sie vom Buckingham-Palast ausgegangen. Die Party fand traditionsgemäß in der Kabine des Kapitäns statt, was einen bemerkenswerten Konflikt zwischen den Schiffsbau-Grundsätzen der Pole Star Line und deren sozialem Gewissen zur Folge hatte: da sie sich einerseits bei jeder Reise verpflichtet fühlte, eine noch größere Anzahl von Persönlichkeiten einzuladen, anderseits aber eine umfangreichere Suite des Kapitäns dem Schiff das Aussehen eines Hausboots verliehen hätte, sahen sich die Gäste im allgemeinen nach einer halben Stunde auf die Back eines Liverpooler Kohlenfrachters versetzt, wenn die Heizer in einer stillen tropischen Nacht gerade von ihrer Wache im Feuerungsraum emportauchten.
Um fünf Uhr nachmittags führte Burtweed Ebbs vor Augen, daß er sein Quartier zu räumen habe, indem er unter Assistenz von vier Stewards erschien, die garnierte Platten, Gansleberpasteten und Kaviar-Sandwiches hereintrugen. Ebbs zog sich folgsam in seine Nachtkabine zurück, um sich umzukleiden. Zu diesem Zeitpunkt hegte er der Party gegenüber bereits gemischte Gefühle: er wünschte zwar von ganzem Herzen, daß die nächsten Stunden schon vorbei wären, doch nach einem Leben lang scharf kritisierter Reparaturrechnungen und knickeriger Vorratslisten hätte selbst der hartgesottenste Kapitän die Gelegenheit, auf Kosten der Reederei den verschwenderischen Gastgeber zu spielen, unwiderstehlich gefunden.
Als er unter der Dusche hervorkam, fand er einen Brief vor.
«Vom geistlichen Herrn, Sir», erklärte Burtweed.
Ebbs las:
«Lieber Kapitän, wollen Sie bitte entschuldigen, daß ich Ihrer heutigen Cocktail-Party fernbleibe. Ich kann es nicht über mich bringen, mich mit Brigadier Broster in demselben Raum aufzuhalten. Ich halte mich auch nicht gerne mit ihm auf demselben Schiff auf, doch habe ich da leider Gottes keine andere Wahl. Ich gebe zu, daß ich nur ein Kanonikus der Englischen Kirche bin, aber ich kann nicht der Ansicht zustimmen, daß der Brigadier den Gottesdienst heute morgen besser als ich gehalten hätte. Er glaubt
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