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Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe

Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe

Titel: Käpt'n Ebbs Seebär und Salonlöwe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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und blickte zu ihm empor. «Sie stehen vermutlich die ganze Zeit auf der Brücke und suchen was? Wie müde müssen Sie da werden!»
    Am anderen Ende der Kabine zog Shawe-Wilson die Augenbrauen hoch. Er vermochte ihren Blick, der Ebbs spanisch war, fachkundig zu übersetzen.
    «Ja natürlich», stammelte Ebbs und sah sich nach Entsatz um. «Ah, Zahlmeister! Unser Zahlmeister wird Ihnen Erfrischungen anbieten», fuhr er fort, indem er sie weiterreichte. «Da gibt's riesig feine Sandwiches und so weiter. Mein lieber Mr. Boast!» rief er unvermittelt durch die Tür. «Wie liebenswürdig von Ihnen, sich von Ihren literarischen Arbeiten loszureißen!»
    «Fidele alte Brüder!» sprach Mr. Boast freundlich.
    Die Kabine füllte sich, das Schnattern wurde immer lauter, die Offiziere reichten die silbernen Platten mit routinierter Grazie herum, und die Stewards begannen in die Martinis hinein zu schwitzen. In kurzer Zeit war es eine Cocktail-Party wie jede andere: die Leute begannen einander zuzurufen, hörten nicht auf die Worte des Partners und lachten laut über ihre eigenen Witze; die Frauen ergingen sich in Bosheiten, und die Männer warfen über den ganzen Raum hinweg heiß bewundernde Blicke auf die Mädchen.
    Shawe-Wilson zog sich nach kurzer Zeit aus dem lärmenden Zentrum der Gesellschaft zurück und lehnte sich, seinen Pink Gin in der Hand, nachdenklich ans Schott. Die Cocktail-Party des Kapitäns bedeutete für ihn einen kritischen Zeitpunkt - signalisierte sie doch den Beginn seiner Liebesaktionen an Bord. Er war ein penibler Kavalier: die ersten fünf oder sechs Tage auf See reservierte er für die Musterung der Anwärterinnen auf seine Aufmerksamkeiten; er hielt dies so seit seiner Jungfernfahrt auf der Charlemagne, da er gedankenlos nach dem ersten Mädel gegriffen, das ihm nach Dover unter die Augen kam, und die Fahrt bis Sydney emsig in ihren Umarmungen verbracht hatte. Jetzt aber zog er bis zum Roten Meer eine mehr sportlich gefärbte Bindung vor; von da an lagen die Mädchen als köstlich reife Früchte reihenweise in der Sonne, und er konnte sich eine zweite Gefährtin auswählen, die bis zur Küste Australiens vorhielt. Dieser Stundenplan unterlag einer sofortigen Streichung im Augenblick, da sich ihm eine lohnendere Zielscheibe bot, denn Shawe-Wilson gehörte zu jenen Männern, die im Geiste nie ein Mädchen entkleiden können, ohne gleichzeitig auch die Kleider abzuschätzen. Er beabsichtigte keineswegs, bis zu seinem Lebensende auf der Brücke hin und her zu spazieren, und hatte den Entschluß gefaßt, vom Dienst eines Seeoffiziers zurückzutreten, sobald einmal die erste Millionenerbin auf der Charlemagne reiste. Zweimal hatte er schon Erfolg gewittert: doch der Vater des ersten Mädchens machte plötzlich bankrott, und die zweite, Tochter eines millionenschweren Bierbrauers, gab ihm den Kosenamen Bubi und bewegte sich mit der Grazie einer Mähmaschine.
    «Es tut sich allerhand, Sir», flüsterte Burtweed Ebbs ins Ohr.
    Ebbs nickte. Bis jetzt war im Ablauf der Dinge keine Katastrophe eingetreten, und er begann sich bereits langsam für einen erfolgreichen Salonlöwen zu halten. «Alles in Ordnung?» fragte er hoffnungsvoll.
    «Tadellos, Sir.»
    «Dann werde ich also bei den Gästen die Runde machen. Das ist doch vorgesehen, nicht wahr? »
    Ebbs zwängte sich durch die Kabine, in der Absicht, sich selbst wie eine leckere Sandwichplatte herumzureichen. Seinen unberührten Drink in der Hand, stieß er sich von Gruppe zu Gruppe durch und machte täppische Scherze wie ein Geistlicher, der ein Wirtshaus erheitern will. Doch seine Gäste kamen ihm überaus respektvoll entgegen und ließen höflich das Gespräch um marinetechnische Fragen kreisen: Wer steuerte eigentlich das Schiff, während er beim Lunch saß? Schlief er in einer Hängematte? Wie oft hatte er schon Schiffbruch erlitten? Verlassen Ratten wirklich ein sinkendes Schiff? War es wahr, daß die Matrosen in jedem Hafen ein Mädel haben? War er ein Glückskind? Die Männer betitelten ihn mit «Sir» und flössen vor Entschuldigungen über, wenn sie ihre Drinks über seine Uniform schütteten, und jedermann brachte ihm weitaus mehr Höflichkeit entgegen, als er sie je legal auf Grund der Statuten der Handelsmarine bei seinen Offizieren durchsetzen konnte. Ebbs fand das alles einigermaßen ermunternd.
    «Meiner Seel, Käpt'n!» rief Gwenny, nachdem die temperamentvollen Cokes ihn in eine Ecke gezwängt hatten. «Das ist die netteste Party, die wir

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