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Käptn Snieders groß in Fahrt

Käptn Snieders groß in Fahrt

Titel: Käptn Snieders groß in Fahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schrader
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olle Snieders macht, ist unverantwortlich, ist der.“
    „Jaja“, machte Reiners, „immer nur lernen und lernen, das mußten wir. Ob das wohl richtig war?“
    „Was für eine dumme Frage, Walter Reiners, natürlich war das richtig!“
    „Aber viel herausgekommen ist dabei ja nicht, was?“
    „Wie meinst du das, Bürgermeister?“
    Walter Reiners steckte sich ruhig eine Pfeife an und sagte: „Na, wenn ich dich so reden höre, muß ich feststellen, daß du trotz unserer vielen Lernerei immer noch genau dieselbe Klatschtante bist, die du als Kind schon warst.“
    Ruth Besenhoff brauchte eine Weile, bis sie das verstand. Anfangs glaubte sie, sich verhört zu haben. Als aber der Bürgermeister das eben Gesagte mit andern Worten noch einmal wiederholte, begriff sie, daß er auf der Seite des Kapitäns war. Empört und beleidigt stand sie auf und marschierte zur Tür.
    „Jetzt ergreife ich Schritte!“ drohte sie. „Wenn ihr hier meint, wen ihr vor euch habt, dann irrt ihr euch, Walter Reiners, du und dein sauberer Kapitän! Beim Schulrat werde ich ja wohl ein offenes Ohr finden!“
    Damit war sie draußen.
    Und Walter Reiners war sicher, daß er sie so bald nicht wiedersehen würde. Er nahm sich aber doch vor, einmal einer Unterrichtsstunde bei dem alten Snieders beizuwohnen.
    Nun, bevor Ruth Besenhoff Schritte ergreifen konnte, kamen erst einmal Schritte auf sie zu, Schritte von kleinen, schmalen Füßen, die zu einem kleinen, schmalen Jungen gehörten. Er hieß Wolfgang Lofing und war der zweite Sohn ihrer Schwester in Bremen. Blaß und verstört stand der Zwölfjährige eines Nachmittags vor ihrer Tür, stammelte sein „Guten Tag, Tante Ruth“ und hielt ihr einen Brief hin, während er seinen Koffer abstellte.
    Frau Besenhoff ahnte nichts Gutes beim Anblick ihres Neffen. Freiwillig kam der bestimmt nicht aus der Stadt in ihr kleines Dorf.
    „Komm ’rein!“ sagte sie, nicht sehr freundlich, und ging voran in die Wohnküche. Dort riß sie den Umschlag auf und holte das Schreiben heraus.
     
    „Liebe Ruth“, las sie, „es ist aus zwischen Paul und mir. Wir lassen uns scheiden. Der arme Wolfgang! Gestern hat es einen gewaltigen Krach gegeben. Paul hat die ganze Wohnung demoliert, er war wieder betrunken.
    Nimm bitte den Jungen, bis alles vor Gericht geklärt ist. Er kann jetzt nicht bei mir sein. Hans weiß noch nichts davon, er macht seine erste Ostasienfahrt, da will ich ihn mit unserm Unglück noch verschonen.
    Ruth, du weißt ja, daß ich das mal wieder gutmache. Ach Gott, ich habe keine Lust mehr zu leben.
    Deine Helga.“
     
    Ruth Besenhoff ließ den Brief sinken und sah den Jungen an, der am Herd stand und an den Knöpfen seiner Jacke drehte. „Diese verdammten Kerle“, stieß sie zwischen den Zähnen hervor, „die taugen alle nichts, pfui noch mal! Und die Seeleute, das sind die schlimmsten! Man kennt das ja, in jedem Hafen eine Braut und so. Die eigene Frau zu Hause, die vergessen sie. Und du kleiner Pöks, du stehst da und hast keinen Vadder und keine Mudder mehr. Gott, wie ist das furchtbar!“
    Sie angelte nach dem Taschentuch in ihrer Schürzentasche und wischte sich ein paar Tränen ab.
    „Aber so wahr ich eine ehrliche Witwe bin“, fuhr sie fort, „bei mir sollst du es gut haben, das verspreche ich dir, du armes getretenes Kind, du! Ein Elend nur, daß du hier zu einem Seemann in die Schule mußt, zu diesem verrückten Kapitän Snieders. Aber der soll sich noch wundern, soll der sich, das kann er glauben. Ich bin nämlich gerade dabei, Schritte zu unternehmen, verstehst du? Damit hier ein anderer Lehrer herkommt. So geht das nämlich nicht weiter, geht das. Nun setz dich doch, Junge! Brauchst doch nicht so ’rumzustehen. Bei mir hat noch jeder einen Stuhl angeboten gekriegt, und wenn er mir noch so unsympathisch war. Na, setz dich schon!“
    Wolfgang setzte sich auf einen der drei Stühle am Tisch und nahm seine Schülermütze ab. Man sah ihm an, daß er auch keine Lust mehr hatte zu leben.
    Am nächsten Morgen, als Käpten Snieders den kleinen Johann Furken auf seinen Knien sitzen hatte und eben dabei war, den Kindern die Geschichte von der großen Windstille zu erzählen, wurde laut und heftig an die Klassentür geklopft. Und noch bevor der alte Mann „Herein!“ sagen konnte, flog sie auf. Frau Besenhoff schritt, ihren Neffen an der Hand, mit wichtiger Miene über das geräumte Deck auf die Kommandobrücke zu. Sie kümmerte sich nicht um das Knurren von Furkens Hund, sondern

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