Käptn Snieders groß in Fahrt
schnappte es zwar, konnte es aber nicht wegziehen, da die Dohle jeder seiner Bewegungen nachgab.
Das erbitterte den kleinen Johann.
Sollte sein großer Hund sich von dem schwarzen Zwerg so verspotten lassen? Auf keinen Fall. Er packte darum Minna ohne Furcht mit beiden Händen und setzte sie Rudi Turka auf den Tisch. Dann umhalste er den Hund und sagte ihm zärtlich ins Ohr: „Bißt doch mein ßüßer, kleiner ßnudel. Nun komm und ßei ßön brav!“
Am Halsband führte er den Hund, der nicht mehr widerstrebte, auf seinen Platz neben der Bank und setzte sich dazu, das Halsband in der Hand.
Die Dohle hatte auch die Lust am Kämpfen verloren. Sie verspürte plötzlich das Bedürfnis, sich zu waschen. Folglich flog sie auf den Rand der gefüllten Waschschüssel, betrachtete eine Zeitlang, leise „Tschiak, tschiak“ rufend, ihr Spiegelbild und setzte sich dann schwungvoll mitten in das einladende Bassin. Den Kopf tief eintauchend, warf sie sich das Wasser auf den Rücken, plusterte sich auf, ruderte mit den Flügeln und nahm so vor aller Augen ein erfrischendes Vollbad.
Natürlich war es unvermeidlich, daß eine Anzahl von den umherfliegenden Wassertropfen die Hefte von Michael Triebsch und Waldemar Peters, die in der Nähe saßen, traf. Und natürlich waren die damit nicht einverstanden. Sie brachten die Hefte in Sicherheit und versuchten den Vogel zu verscheuchen.
Da besann sich Käpten Snieders auf sein neues Amt, stand auf, griff sich vorsichtig die Dohle und setzte sie auf den Rand der Papierkiste.
„So, Minna“, sagte er, „jetzt laß das Klabautern, sonst verbringst du die nächste Nacht im Mastkorb.“
Die Kinder forderte er auf, die Berichtigungen zu beenden und dann zur Pause auf den Hof zu gehen. Er folgte ihnen, den kleinen Johann an der einen und die Pfeife in der andern Hand.
Eine Putzfrau schreitet ein
Ruth Besenhoff, die rührige Putzfrau, sorgte in den nächsten Tagen dafür, daß des Kapitäns merkwürdige Art, Unterricht zu halten, im Dorf verbreitet wurde. Aber mit welch wichtiger Miene sie auch immer Schreckliches berichtete, ihre Zuhörer lachten nur über sie und sagten, daß ihre Kinder sich bei dem alten Mann sehr wohl fühlten und daß es aller Ehren wert sei, daß er in seinem Alter noch die Bürde der Kindererziehung auf sich genommen habe. Man sollte ihm helfen, wo man könnte, und ihm sein schweres Amt nicht verleiden.
Frau Besenhoff hatte andere Antworten erwartet und entschloß sich daher, den Vorgesetzten des unfähigen Vertretungslehrers zu besuchen und ihm ein paar Lichter aufzustecken. Es wäre doch gelacht, sagte sie sich, wenn in mein Schulhaus nicht bald wieder Ruhe und Gesittung einzögen!
Und sie machte sich auf den Weg zum Bürgermeister!
Der würde ein offenes Ohr für sie haben, ganz bestimmt. Sie kannte ihn gut, war sie doch acht Jahre lang mit ihm zusammen zur Schule gegangen, in diese Ritzenflether Schule übrigens, an der jetzt der Unterricht zu entarten drohte.
„Bürgermeister“, sagte sie deshalb geradeheraus, „Käpten Snieders verdirbt unsere Kinder. Wenn du nicht eingreifst, unternehme ich Schritte.“
Walter Reiners war durch seinen Sohn Ludwig, den Ersten Offizier des Kapitäns, genau im Bilde über das, was in der Schule geschah, und hatte auch von den Meckereien der Putzfrau vernommen. Er war gewillt, der Frau ein für allemal klarzumachen, inwieweit sie sich um das Schulleben zu kümmern hatte. „Soso“, sagte er, „der alte Mann verdirbt unsere Kinder. Kannst du mir das mal ein bißchen genauer erklären?“
„Und ob ich das kann!“ legte die Besenhoffsche los. „Die lachen den ganzen Tag, von früh bis spät. Oh, ich hör’ das genau, meine Ohren sind nämlich sehr fein, sind die. Und dann singen sie so ’ne Seemannslieder, so ’ne ganz verrückten, und einen Vogel haben sie in der Klasse und den alten Köter von Furkens. Sogar den kleinen Johann Furken, diesen Schietbüdel, lassen sie mit in die Schule. Wie sollen die armen Kinder dabei was lernen! Und das Lernen ist doch wohl die Hauptsache in der heutigen Zeit, Walter Reiners, oder etwa nicht?“
Der Bürgermeister holte tief Luft. Dann sah er seine ehemalige Mitschülerin an und sagte langsam: „Das waren früher andere Zeiten, was?“
„Wenn du das man weißt!“ pflichtete ihm die Frau bei. „Als wir Kinder waren, hat es so was nicht gegeben, hat es. Wir mußten still und gesittet sitzen und immer nur lernen und lernen, den ganzen Tag. Der Firlefanz, den der
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