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Käptn Snieders groß in Fahrt

Käptn Snieders groß in Fahrt

Titel: Käptn Snieders groß in Fahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schrader
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knisterte geheimnisvoll damit und zeigte es ihm von allen Seiten. Lott ließ es nicht aus den Augen. Der Junge öffnete es ein wenig und nahm es an den Mund. Duftete es nicht nach Wurst und Speck? Man müßte... Nun legte der Verführer es auf den Fußboden und schob es mit dem Fuß ein Stück auf ihn zu. Das war eine unmißverständliche Einladung. Der konnte man doch nicht widerstehen! Lott stand auf und lief schnell auf das verlockende Päckchen zu. Rudi grinste. Er opferte gern einen Teil seines Frühstücks dafür, den großen Hund neben sich zu haben.
    Der machte sich auch schwanzwedelnd daran, das Brot mit Hilfe von Pfoten und Schnauze auszuwickeln, und kümmerte sich nicht im geringsten um das Knittern und Rascheln.
    Johann, der kleine Hundeherr, aber glaubte die fröhliche Mahlzeit des Tieres nicht dulden zu dürfen. Darum rief er nun in bester Absicht mit seiner hellen Stimme: „Lott, kommßt du ßofort ßu mir! ßonßt kriegßt du welche rübergeßogen!“
    Natürlich lenkte das die fleißigen Kinder von ihrer Arbeit ab. Alle wandten den Kopf dem kleinen Schreihals und dem fressenden Hund zu.
    Rudi fühlte, daß seine gutgemeinte Fütterung unbeabsichtigte Nebenwirkungen hatte, und versuchte zu retten, was zu retten war.
    „ßei doch ßtill, Johann!“ flüsterte er laut. „Du ßtörßt doch die annern Kinder bei ihrm Aufßatß!“
    „Lott ßoll doch nicht freßßen, Menß!“ flüsterte Johann laut zurück. „Er ßoll ßtill ßein und ßich hinlegen.“
    Die größeren Kinder feixten.
    So schön wie die beiden hatten sie noch niemanden lispeln hören. Käpten Snieders grinste ebenfalls. Er hatte im Augenblick ja nicht viel zu tun und war daher über die kurzweilige Abwechslung ganz erfreut. Außerdem hatte er zeit seines Lebens viel lieber Spaß gemacht und gelacht als Ernst und Würde gezeigt und wichtige Gespräche geführt. So nickte er dem Hund aufmunternd zu und ließ die beiden Lispler sich ruhig weiterstreiten.
    Lott, so freundlich aufgefordert, wollte es nun genau wissen. Er riß und zerrte an dem Pergament, als wollte er es in zwei Schichten aufspalten.
    Das war der Dohle zuviel, die bisher heiteren Herzens auf dem Fenstersims gesessen und die Azalee entblättert hatte. Sie flog zu dem wild arbeitenden Hund und beteiligte sich an dessen Forschungen. Gemeinsam zogen und zerrten sie nun an dem knitternden Papier, natürlich in entgegengesetzte Richtungen.
    Rudi war selig.
    Dieses herrliche Spiel, diesen nach allen Turnierregeln edler Ritter ausgetragenen Zweikampf verdankte die Klasse nur ihm. Und weil er sah, daß auch Käpten Snieders angetan war von der angenehmen Unterbrechung der langweiligen Aufsatzberichtigung, entschloß er sich zu kühneren Schritten. Er stand auf, streichelte den Hund und rief: „Feßte, Lott, feßte! Gib ßie ßaureß!“
    Lott begriff das. Er zog die Dohle, die das Papier nicht fahrenlassen wollte, quer durch die Klasse. Das bewegte einige Kinder dazu, für Minna Partei zu ergreifen.

    „Los, Minna“, riefen sie. „Nicht aufgeben! Er tut nur so stark.“ Tatsächlich gelang es der Dohle, mit dem größten Teil des Papiers davonzufliegen, als Lott mal Luft schnappen mußte. Sie flog auf den Kartenständer und äugte überlegen auf ihren flügellosen Gegner hinab. Der heulte einige Male und bedachte die neue Sachlage. Plötzlich nahm er einen Anlauf und sprang mit fröhlichem Bellen nach dem weißen Fetzen im Schnabel des schwarzen Vogels. Aber der war auf der Hut! Bevor der Hund zuschnappen konnte, flog er auf und setzte sich auf den Gardinenkasten. So erwischte Lott nichts als die Querleiste des Kartenständers. Aber es genügte, den Ständer umzustoßen. Krachend polterte er gegen den Schrank und dann auf den Fußboden.
    Der kleine Johann konnte es nun nicht länger auf seinem Platz aushalten. Er trippelte auf den ungezogenen Hund zu, riß ihn am Schwanz und hielt ihm eine Standpauke.
    „Du bißt ein ganß bößer Hund“, schimpfte er, „ßäm dich! Marß, komm mit auf dein Platß!“
    Damit war aber Rudi Turka nicht einverstanden. Er wollte, daß das interessante Duell noch eine Weile fortgesetzt wurde. Darum rief er: „Laß ihn doch noch, Menß! Wenn Minna ßtill ßitßt und er ßleicht ßich ’ran und ßpringt ein ßtückchen höher, kann er ßie ßnappen!“
    Minna schien das verstanden zu haben. Sie kam vom Gardinenbrett herabgeflattert und setzte sich ihrem Gegner auf den Hals, wobei sie mit dem Rest des Papiers vor seiner Nase herumwedelte. Lott

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