Käptn Snieders groß in Fahrt
stakte mit ihren Storchbeinen furchtlos an ihm vorüber. Sie hatte sich fein gemacht. Auf ihrem Kopf thronte ein schwarzer Hut mit Schleier und dunkelroten Kirschen als Verzierung, ihre hagere Gestalt hatte sie mit einem grauen Seidenkleid geschmückt, das ihr viel zu weit war, und an den Füßen trug sie ein Paar hochhackiger Schuhe.
„Ich bin nämlich dienstlich hier“, sagte sie statt eines Grußes und schob den schüchternen Jungen ein Stück auf den alten Kapitän zu. „Ich melde meinen Neffen an. Er wohnt bei mir und muß ja leider zu dir in die Schule kommen. Na ja, so lange, wie es dauert! Wolf gang Lofing heißt er und ist zwölf Jahre alt. Er kommt aus der Stadt, vom Dschümnasium. Ich hoffe, daß er was Vernünftiges lernt bei dir. Die Flausen sind ja nun wohl vorbei. Komm, mein Kind, setz dich hier hin!“
Damit schob sie den Jungen, der sich sehr schämte, daß seine Tante ihn so einführte, auf die leere Bank vor Rudi Turka. Die andern Kinder schauten den Neuen prüfend an. Auch Käpten Snieders musterte ihn. Um die freche Besenhoffsche kümmerte er sich gar nicht.
„Bleib nur da sitzen“, sagte er, als er merkte, daß der Junge sich nicht recht getraute. „Wenn du keine Angst hast, bei mir, so nahe
an der Kommandobrücke, soll mir’s recht sein.“ Und weil Frau Besenhoff ihn anschaute, als ob sie noch was von ihm hören wollte, sagte er zu ihr: „Du kannst jetzt gehen, Mudder Besenhoff. Tschüß auch! Und fall nicht über die Türschwelle!“
Die aufgetakelte Putzfrau ging aber noch nicht. Sie stelzte ganz dicht an den alten Mann heran und flüsterte, den Kopf wie ein Habicht vorgeneigt: „Seine Mutter ist meine Schwester. Sie läßt sich von ihrem Mann scheiden. Das ist nämlich auch so ’n... so ’n Seemann wie du!“
Nach diesen Worten drehte sie sich um und schlingerte hinaus.
Hilfe vom Gymnasium
Wolfgang saß bleich in der Bank. Er fühlte, daß ihn alle ansahen, und glaubte, daß er in seiner städtischen Kleidung unangenehm auffallen mußte. Aber Käpten Snieders ließ ihm keine Zeit für lange Überlegungen.
„Wir sind gerade dabei, eine Geschichte zu hören“, sagte er und fuhr dem kleinen Johann mit seiner großen Hand zärtlich über den Kopf. „Und von der Geschichte schreiben wir hinterher einen Aufsatz. Also paß gut auf, damit du alles verstehst.“
Er ließ sich von seinem Knastermaat die Pfeife neu stopfen und anrauchen, lehnte sich bequem zurück und begann noch einmal. „Also“, sagte er, „das war damals, wie ich schon erwähnte, auf dem Schoner ,Störtebecker‘, als wir...“
„Nein“, unterbrach Erna tom Dieck, „das war auf der Brigg , Magellan‘!“
„Richtig, richtig“, brummte der Alte. „Diese dösigen Unterbrechungen aber auch immer! Man kommt ganz vom Kurs ab. Also wir lagen da mit unserer guten alten ,Magellan‘ halbwegs zwischen Hamburg und New York und warteten auf Wind. Tagelang! Unser Trinkwasser begann schon zu verrosten, und der Zwieback schmeckte nur noch wie Sand. Wenn nicht bald ein Wind aufkam, mußten wir elendig verhungern und verdursten, das war klar. Unser Kapitän lief wie ein gefangener Löwe über das Deck und schnauzte mit jedem von uns herum, als ob wir den Wind vertrieben hätten. Der Steuermann berechnete zum hundertstenmal unseren Standort, und Willy May, der Leichtmatrose, schaute sich im Krähennest die Augen aus dem Kopf nach Wolken und Wind.
Tja, eine schlimme Lage, das könnt ihr glauben.
Ich dachte an Bremen und Ritzenfleth und merkte, daß ich zum Sterben noch keine Lust hatte. Darum grübelte ich über alles nach, was ich von der Schule her über die Erde und die Sterne und all das wußte. Und dabei fiel mir denn ein, daß die Erde eine Kugel ist.“
„Oh!“ machte Rudi Turka. „Ganß rund wie ein Ball?“
„Ja“, sagte Käpten Snieders, „nur etwas größer natürlich.“ Rudi bemühte sich, das zu verstehen.
„Ich weiß, ich weiß“, rief er plötzlich, „ßo wie der Klopuß da auf dem ßrank!“
Käpten Snieders nickte und erzählte weiter.
„Ich erinnerte mich auch, daß die Erdkugel sich dreht, immerzu, von Westen nach Osten.“
„Merk’ ich aber nichtß von!“ warf Rudi staunend ein.
„Sei doch still!“ rief Waldemar Peters herüber.
„Merk’ ich aber wirklich nichtß von!“ bekräftigte Rudi noch mal. „Das kannst du an der Sonne merken“, erklärte Ludwig Reiners, „die geht nämlich nur deshalb auf und unter, weil die Erde sich dreht. Und nun halt schön
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