Käptn Snieders groß in Fahrt
recht, so von innen erwachsen, handfest und derb, das mein’ ich.“
Wolfgang zuckte mit den Schultern.
Heini sagte: „Er kann sich ja noch ändern.“ Aber daran glaubte Käpten Snieders nicht.
„Du mußt Lehrer werden“, sagte er, „da stehst du auf dem richtigen Platz. Ich hab’ da ’n Blick für.“
Natürlich war Wolfgang ein bißchen enttäuscht, daß ausgerechnet ein alter Fahrensmann ihn für den Seemannsberuf nicht geeignet hielt. Aber so schnell ließ er sich nicht einschüchtern.
Als die beiden Krankenbesucher sich von Heini Brackwede verabschiedeten, versprach Wolfgang, am nächsten Tag wiederzukommen.
Bald kam er täglich eine Stunde oder auch länger und freundete sich fest mit dem kranken Jungen an.
Drei Sportler geben an
Als Wolfgang schon über zwei Wochen in der Ritzenflether Schule war, sagte ihm seine Tante eines Nachmittags, daß ein Brief angekommen sei von einem Rechtsanwalt, und sie fragte ihn, ob er ihn lesen wollte.
Wolfgang erschrak.
„Sie lassen sich scheiden“, sagte er tonlos und wandte sich ab, damit seine Tante nicht sah, wie weh ihm das tat.
Ruth Besenhoff war erstaunt. Sie konnte sich gar nicht vorstellen, daß ein Kind sich nicht gern von einem Vater trennte, der zur See fuhr, trank und die Möbel entzweischlug.
„Nun heul man nicht gleich“, sagte sie in ihrer derben Art. „Ist ja noch nichts entschieden. Vielleicht vertragen sie sich ja wieder. Man kennt das ja. Vorher ’n großer Affenzirkus, und vor Gericht fallen sie sich wieder in die Arme.“
Das sollte ein Trost sein, aber Wolfgang fühlte sich und seine Eltern verhöhnt. Darum ging er nach draußen, stieg den Deich hinauf und rannte in einem atemlosen Lauf bis an den toten Weserarm. Er schluchzte wie ein Schulanfänger. Verzweifelt stürzte er sich in das dunkle Wasser. Es war aber nicht tief, reichte ihm nur bis an die Schenkel. Er fiel hin und tauchte mit dem Kopf unter. Eine Weile blieb er so liegen, Mund und Augen fest geschlossen.
Als ihm die Luft knapp wurde, tauchte er wieder auf, stellte sich hin und atmete tief ein. Bei dem Versuch weiterzugehen, merkte er, daß er mit seinen Schuhen tief in den Schlick eingesunken war. Es kostete ihn einige Mühe, sie herauszuziehen. Weil sein Zeug ohnehin naß war, watete er nicht zurück, sondern durch den Weserarm ans andere Ufer. Dort wusch er den Schlamm von Schuhen und Strümpfen und zog beides aus. Auch sein Hemd legte er zum Trocknen auf den Boden. Die Hose behielt er an. Unsicher machte er einige Schritte durch das scharfe Strandgras. Seine Füße waren sehr empfindlich und an das Laufen ohne Schuhe nicht gewöhnt. Unversehens trat er auf einen kantigen Stein. Er schrie auf vor Schmerz, packte den Stein und schleuderte ihn ins Wasser. Das Aufklatschen tat seiner Erregung wohl. Er suchte sich noch mehr Steine und warf sie mit aller Kraft dem ersten nach. Plötzlich griff er zufällig eine leere Flasche statt eines Steines. Die stieß er hinein und begann nun sie mit Steinen zu beschießen. Immer schneller folgte Salve auf Salve. Das Schiff wurde von mehreren schweren Geschossen getroffen und versank.
Als ihm bewußt wurde, wen er mit seinem Angriff gemeint hatte, warf er sich in den Sand und begann laut zu weinen.
Eine Viertelstunde mochte er so gelegen haben, zuletzt nur noch leise jammernd wie ein kleiner Hund, da hörte er Stimmen. Er hob den Kopf und horchte.
Jenseits des Weserarmes standen zwei Jungen, die damit beschäftigt waren, ihre Schuhe und Strümpfe auszuziehen. Er erkannte Kluten Neumann und Ludwig Reiners. Sie hatten ihn noch nicht gesehen. Hastig wischte er sich die Tränen aus dem Gesicht und setzte sich hin. Da wateten die beiden auch schon durchs Wasser. Wolfgang beobachtete sie.
Wenn sie sein Zeug nicht sahen, wollte er sich gar nicht bemerkbar machen und sie weitergehen lassen. Aber kaum waren sie drüben, da hob Ludwig auch schon einen Schuh Wolfgangs hoch und rief: „Wer ist hier denn baden gegangen, du? Donnerwetter, sind das feine Treter! Die können doch nur dem Neuen gehören.“
Da stand Wolfgang auf und ging zu den beiden hin.
„Sie sind naß geworden“, sagte er.
„Sind dir wohl aus der Hand gefallen, was?“ fragte Kluten, fischte eine Schachtel Streichhölzer und eine zerknitterte Zigarette aus der Hosentasche und begann zu rauchen.
„Ja“, sagte Wolfgang und schielte auf sein Hemd, das auch noch naß war, „das Hemd auch.“
„Da hinten ist ’ne ganz flache Stelle, da kannst du beinah mit
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