Kafka am Strand
«
»Jawohl.«
»Und du weißt nicht, wo dieses Irgendwo ist.«
»Nein, weiß überhaupt nicht. Nakata weiß das, wenn er hinkommt.«
»Ich geb’s auf«, sagte Hoshino. Er strich sich das Haar glatt, vergewisserte sich, dass sein Pferdeschwanz richtig saß, und setzte die Chunichi-Dragons-Kappe wieder auf.
Kurz darauf wurde der Grillfisch gebracht, und die beiden aßen schweigend.
»Boah, das Ei ist vielleicht lecker«, sagte Hoshino.
»Ja, sehr schmackhaft. Ganz anders als das, was Nakata in Nakano immer isst.«
»Das hier ist Kansai-Omelett. Im Vergleich dazu ist das Zeug, das man in Tokyo kriegt, furztrocken wie ein Sitzkissen.«
Schweigend verputzten die beiden nun weiter ihr Ei, ihre mit Salz gegrillte Makrele, ihre Misosuppe mit Muscheln und die eingelegten Rüben, den Spinat, die Algen und den heißen Reis bis zum letzten Körnchen. Da Nakata jeden Bissen gewissenhaft zweiunddreißigmal kaute, dauerte es ziemlich lange, bis er fertig war.
»Und, Nakata, bist du satt?«
»Jawohl, danke, und Sie, Herr Hoshino, sind Sie auch satt?«
»Jou, das kannst du laut sagen. Nach einem so guten Frühstück fühlt man sich sauwohl.«
»Jawohl, sehr wohl.«
»Willst du kacken gehen?«
»Ja, jetzt wo Sie es sagen, hat Nakata allmählich so ein Gefühl.«
»Dann geh nur. Das Klo ist da drüben.«
»Und Sie, Herr Hoshino?«
»Ich lass mir noch Zeit. Geh du nur zuerst.«
»Besten Dank. Nakata erlaubt sich, kacken zu gehen.«
»Trotzdem brauchst du nicht so rumzuschreien, dass alle es mitkriegen. Die anderen Leute essen noch.«
»Jawohl, entschuldigen Sie bitte. Das kommt nur, weil Nakata so dumm ist.«
»Schon gut, geh schon.«
»Dürfte Nakata sich wohl auch die Zähne putzen?«
»Klar, Zähneputzen geht auch okay. Wir haben noch Zeit, also mach, was du willst. Aber lass den Schirm hier, du gehst doch nur auf die Toilette.«
»Jawohl, Schirm hier lassen.«
Als Nakata von der Toilette zurückkam, hatte Hoshino die Rechnung schon bezahlt.
»Aber Herr Hoshino, Nakata hat genug Geld dabei und zahlt sein Frühstück.«
Der junge Mann schüttelte den Kopf. »Schon in Ordnung. Das ist nichts. Ich hab mir früher immer Geld von meinem Opa geliehen. Hab dauernd Mist gebaut.«
»Jawohl, aber Nakata ist nicht Ihr Opa.«
»Mein Problem. Mach dir keine Gedanken. Sei jetzt ruhig.«
Nach kurzem Nachdenken nahm Nakata die Einladung an.
»Besten Dank, es hat vorzüglich geschmeckt.«
»Nur Grillfisch und Ei in einer billigen Kneipe. Dafür braucht man sich nicht kniefällig zu bedanken.«
»Aber Herr Hoshino, alle haben Nakata so geholfen, dass er, seit er aus Nakano fort ist, fast kein Geld gebraucht hat.«
»Toll«, sagte Hoshino bewundernd. »Das schafft nicht jeder.«
Nakata rief den Kellner, ließ sich heißen Tee in seine kleine mitgebrachte Thermosflasche füllen und verstaute sie sorgsam wieder in seinem Beutel.
Die beiden gingen zurück zum Lastwagen.
»Jetzt geht’s also nach Shikoku.«
»Jawohl«, sagte Nakata.
»Was in aller Welt willst du in Shikoku?«
»Nakata weiß nicht.«
»Du weißt also nicht, wohin und warum. Aber du willst nach Shikoku.«
»Jawohl. Nakata überquert die große Brücke.«
»Und wenn du die Brücke überquert hast, wird alles klar?«
»Jawohl, vielleicht. Nakata muss zuerst über die Brücke.«
»Aha«, sagte der Junge. »Es ist wichtig, dass du die Brücke überquerst.«
»Jawohl, sehr wichtig.«
»Ich geb’s auf«, sagte Hoshino und kratzte sich am Kopf.
Der junge Mann fuhr davon, um die Möbel in seinem Laster im Kaufhauslager abzuliefern. Währenddessen saß Nakata in einem kleinen Park in der Nähe des Hafens auf einer Bank und vertrieb sich die Zeit.
»Also, mein Freund, du rührst dich hier nicht vom Fleck«, hatte der junge Mann gesagt. »Es gibt hier eine Toilette und auch Trinkwasser. Das müsste also gehen. Wenn du weiter weggehst, verläufst du dich, und wenn du dich einmal verlaufen hast, findest du nicht mehr zurück.«
»Jawohl, weil hier nicht Nakano ist.«
»Genau. Weil du hier nicht mehr in Nakano bist. Also bleib hier und rühr dich nicht vom Fleck.«
»Jawohl, nicht vom Fleck.«
»Gut, wenn ich die Sachen abgeliefert habe, komme ich wieder hierher zurück.«
Gehorsam rührte Nakata sich keinen Schritt von der Bank weg. Er ging auch nicht auf die Toilette. Andererseits fiel es ihm nicht schwer, an einer Stelle zu bleiben und sich die Zeit zu vertreiben, denn das gehörte zu den Dingen, die er am besten konnte.
Von der
Weitere Kostenlose Bücher