Kafka am Strand
und vergewisserte sich dann telefonisch, dass noch etwas frei war. Da das Hotel in einiger Entfernung vom Bahnhof lag, nahmen sie ein Taxi. Kaum waren sie im Zimmer, ließen sie das Mädchen die Futons ausbreiten. Nakata zog sich aus und kroch, ohne ins Bad zu gehen, sofort ins Bett. Im nächsten Augenblick atmete er schon tief und regelmäßig.
»Nakata schläft vielleicht sehr lange. Bitte, machen Sie sich keine Gedanken. Er schläft nur«, hatte er vor dem Einschlafen noch gesagt.
»Lass dich nicht stören. Schlaf, solange du willst.« Der junge Mann hatte noch kaum zu Ende gesprochen, als Nakata auch schon fest eingeschlafen war.
In aller Ruhe nahm Hoshino ein Bad und machte sich dann allein auf den Weg in die Stadt. Eine Weile schlenderte er ziellos umher. Nachdem er sich ein wenig orientiert hatte, ging er ins nächstbeste Sushi-Lokal, aß und trank ein Bier, und da er nicht viel vertrug, war er danach schon leicht angeheitert. Mit geröteten Wangen ging er in eine Pachinko-Halle und verspielte innerhalb einer Stunde 3000 Yen. Weil er die ganze Zeit seine Dragons-Kappe aufbehielt, starrten ihn die Leute neugierig an. Wahrscheinlich bin ich der Einzige, der in Tokushima mit einer Chunichi-Dragons-Kappe rumläuft, dachte er.
Als er ins Hotel zurückkam, sah er, dass Nakata noch in der gleichen Haltung fest schlief. Er schaltete das Licht ein, was jedoch Nakatas Schlaf nicht im Geringsten zu stören schien. Der hat vielleicht die Ruhe weg, dachte Hoshino. Er nahm seine Mütze ab, zog sein Hawaiihemd und die Jeans aus und kroch in der Unterwäsche unter die Decke. Er löschte das Licht. Vielleicht lag es an dem fremden Ort, oder er war zu aufgekratzt, jedenfalls konnte er nicht einschlafen. Könnte ich jetzt bloß in einen Puff gehen und bei einem Mädchen zum Schuss kommen!, dachte er. Aber als er in der Dunkelheit auf Nakatas friedliche, regelmäßige Atemzüge lauschte, kam ihm der Gedanke an Sex auf einmal ziemlich unpassend vor. Er schämte sich sogar ein bisschen, dass er sich einen Bordellbesuch ausgemalt hatte.
Während er schlaflos an die Decke des dunklen Zimmers starrte, erschien es ihm immer seltsamer, dass er mit diesem merkwürdigen alten Mann, von dem er nichts wusste, in einem billigen Hotel in Tokushima übernachtete. Normalerweise wäre er jetzt ganz gemütlich auf der Rückfahrt nach Tokyo, wahrscheinlich irgendwo auf der Höhe von Nagoya. Hoshino hatte gar nichts gegen seine Arbeit, und in Tokyo hatte er sogar ein paar Freundinnen, die er hätte anrufen können. Dennoch hatte er sich, nachdem er seine Ladung im Kaufhaus abgeliefert hatte, spontan mit einem Kollegen in Kobe in Verbindung gesetzt und ihn gebeten, an diesem Abend für ihn die Fuhre nach Tokyo zu übernehmen. Seine Firma hatte er ebenfalls angerufen und fast mit Gewalt drei Tage Urlaub durchgesetzt. Anschließend war er dann gleich mit Nakata nach Shikoku gefahren. In seiner kleinen Reisetasche hatte er nur ein paar Sachen zum Wechseln und Waschzeug dabei.
Anfangs hatte Hoshino sich für Nakata interessiert, weil dessen Aussehen und Redeweise ihn an seinen verstorbenen Opa erinnerten. Doch dieser Eindruck war rasch verblasst, und der junge Mann hatte Nakata als Person in sein Herz geschlossen. Seine Art zu reden war ziemlich verquer, vom Inhalt ganz zu schweigen, aber irgendwie rührte ihn dieses Verquere. Er wollte wissen, wohin Nakata ging und was er tun würde.
Hoshino war auf dem Lande geboren, als der dritte von fünf Söhnen. Bis zur Mittelschule war alles verhältnismäßig glatt gelaufen, aber als er auf die Berufsschule kam, geriet er in schlechte Gesellschaft und damit auf die schiefe Bahn. Mehrmals bekam er es mit der Polizei zu tun. Er schaffte zwar mit Ach und Krach einen Schulabschluss, nahm danach aber keine anständige Arbeit an und hatte ständig Frauengeschichten, und als ihm gar nichts mehr einfiel, verpflichtete er sich bei den Selbstverteidigungsstreitkräften. Eigentlich hatte er Panzerfahrer werden wollen, fiel aber durch den Eignungstest und fuhr in seiner Zeit bei den Streitkräften hauptsächlich Großtransporter. Nach drei Jahren hörte er auf und fand eine Stelle bei einer Spedition. Mittlerweile arbeitete er seit sechs Jahren als Fernfahrer.
Große Laster zu fahren lag ihm. Mit Maschinen umzugehen hatte ihm schon immer gefallen, und wenn er auf dem hohen Fahrersitz saß und das riesige Lenkrad umfasste, hatte er fast das Gefühl, in seiner eigenen Burg zu sitzen. Natürlich war die Arbeit
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