Kafka am Strand
nichts.«
»Ehrlich gesagt, es tut ziemlich weh.«
»Weißt du, alter Freund, mein ganzes Leben lang haben sie auf mir rumgeprügelt, zu Hause, in der Schule und bei der Armee. Ich will nicht angeben, aber die Tage, an denen ich nichts abgekriegt habe, kann ich an den Fingern abzählen. Ich halte eine Menge aus – tu dir nur keinen Zwang an.«
Nakata kniff die Augen zu einem schmalen Spalt zusammen, konzentrierte sich und platzierte seine beiden Daumen gewissenhaft auf Hoshinos Rücken. Als die Position feststand, steigerte er zuerst ganz allmählich den Druck und beobachtete, was geschah. Dann holte er tief Luft, stieß einen kurzen Schrei aus, der an einen Wintervogel denken ließ, und drückte mit aller Kraft seine Daumen zwischen Rückgrat und Muskulatur. Der Schmerz, der den jungen Mann dabei überfiel, war grauenvoll – ein gewaltiger Blitz schoss ihm durch den Kopf, ihm wurde grellweiß vor den Augen, sein Atem stockte. Er hatte das Gefühl, mit einem Schlag von der Spitze eines hohen Turms in den Abgrund der Hölle geschleudert zu werden. Er konnte nicht einmal schreien. Es tat so weh, dass er nicht mehr denken konnte. All seine Gedanken verbrannten und verzischten, all seine Empfindungen liefen in diesem Schmerz zusammen. Ihm war, als würde sein Körper in tausend Teile gesprengt. Nicht einmal der Tod konnte so gewalttätig sein. Er war nicht imstande, die Augen zu öffnen. Speichel lief ihm aus dem Mund. Hilflos lag er bäuchlings auf den Tatami, Tränen rannen ihm übers Gesicht. Dieser grauenhafte Zustand dauerte etwa dreißig Sekunden an.
Endlich bekam Hoshino wieder Luft. Auf die Ellbogen gestützt richtete er sich wankend auf. Unheilvoll wie das Meer vor einem Sturm wogten die Tatami unter ihm.
»Das hat wehgetan, was?«
Der junge Mann schüttelte mehrmals langsam den Kopf, wie um sich zu vergewissern, dass er noch am Leben war. »Wehgetan ist gar kein Ausdruck. Es hat sich angefühlt, als ob man mir die Haut abziehen, mich mit einem Spieß durchbohren und in einem Mörser zerstampfen würde. Am Ende ist dann noch ein wütender Stier über mich getrampelt. Was in aller Welt hast du da gemacht?«
»Herrn Hoshinos Rücken wieder eingerenkt. Eine Zeit lang wird er in Ordnung sein. Keine Kreuzschmerzen, und richtig Groß machen können Sie auch.«
Als der heftige Schmerz verebbt war, verspürte der junge Mann eine Erleichterung im Rücken. Das ständige Gefühl der Schwere, das er im Rücken gehabt hatte, war plötzlich verschwunden. Auch in der Schläfengegend fühlte er sich erfrischt, und sein Atem ging leichter. Außerdem merkte er, dass er auf die Toilette musste.
»Hm, fühlt sich wirklich besser an.«
»Jawohl. Alle Probleme kommen vom Rücken.«
»Aber trotzdem hat das ganz schön wehgetan.« Hoshino seufzte.
Vom Bahnhof Tokushima nahmen die beiden einen Schnellzug der Japanischen Eisenbahn nach Takamatsu. Sowohl die Hotelrechnung als auch die Zugfahrkarten bezahlte Hoshino von seinem Geld. Nakata bestand darauf, selbst zu zahlen, aber Hoshino hörte nicht auf ihn.
»Erst mal bezahle ich, später kannst du ja. Erwachsene Männer machen kein Geschiss um Geld.«
»Jawohl. Nakata versteht nichts von Geld. Er überlässt alles Herrn Hoshino.«
»Und immerhin geht’s mir seit deiner Shiatsu-Massage viel besser. Ich will dir wenigstens ein bisschen danken. So wohl habe ich mich schon lange nicht gefühlt. Ich bin direkt ein neuer Mensch.«
»Das ist wirklich ein Glück. Nakata kennt kein ›Shiatsu‹, aber der Rücken ist wirklich wichtig.«
»Mehr als die Wörter Shiatsu, Massage oder Chiropraktik weiß ich auch nicht, aber du bist auf jeden Fall ein großes Talent. Damit könntest du massig verdienen, wenn du einen Laden aufmachen würdest. Das garantier ich dir. Wenn ich nur meine Kumpels zu dir schicken würde, würdest du ein Vermögen machen.«
»Ihr Rücken hat krumm ausgesehen. Und was krumm ist, muss Nakata wieder gerade machen. Nakata hat lange Möbel gebaut, da will er verzogene Sachen gerade biegen. Das war immer so. Aber einen Rücken hat er zum ersten Mal wieder gerade gemacht.«
»Auf alle Fälle bist du ein Naturtalent«, sagte der junge Mann anerkennend.
»Früher konnte Nakata mit Katzen sprechen.«
»Aha.«
»Aber seit kurzem auf einmal nicht mehr. Das ist vielleicht wegen Johnnie Walker.«
»Aha.«
»Wie Sie wissen, ist Nakata nicht klug und versteht keine schweren Sachen. Aber dann sind schwere Sachen passiert. Zum Beispiel sind viele Fische und
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