Kafka am Strand
schwer und die Arbeitszeit unregelmäßig. Aber jeden Morgen in eine öde Firma zu marschieren und, von einem Vorgesetzten beäugt, eine öde Arbeit zu machen, kam ihm vollkommen unerträglich vor.
Hoshino war schon immer ein Streithahn gewesen. Klein und spindeldünn, wie er war, sah er nicht gerade kriegerisch aus, aber er hatte Kraft, und wenn er erst einmal angestochen war, war er nicht mehr zu halten. Er bekam dann einen derart wilden Blick, dass seine Gegner meistens freiwillig von ernsthaften Handgreiflichkeiten abrückten. In seiner Zeit als Fahrer bei der Armee geriet er immer wieder in Schlägereien. Natürlich gewann er manchmal, und manchmal verlor er. Erst vor kurzem war ihm klar geworden, dass es eigentlich keine große Rolle spielte, ob er gewann oder unterlag. Er wunderte sich selbst, dass er bisher nie eine größere Verletzung davongetragen hatte.
Jedes Mal, wenn ihn in der Schulzeit, in der er ein echter Rabauke gewesen war, die Polizei aufgegriffen hatte, hatte sein Großvater ihn rausgepaukt. Er verbeugte sich vor den Polizisten und nahm Hoshino mit. Auf dem Nachhauseweg machten sie immer in einem Lokal halt, und sein Großvater spendierte ihm etwas Gutes. Nie hatte er Hoshino eine Moralpredigt gehalten. Seine Eltern hatten wegen ihm keinen Finger gerührt. Arm wie sie waren, schafften sie es gerade so, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, und sie hatten weder die Kraft noch die Zeit, sich um ihren missratenen dritten Sohn zu kümmern. Was wohl aus ihm geworden wäre, wenn er seinen Großvater nicht gehabt hätte? Er war der Einzige gewesen, der sich um Hoshino kümmerte, ja überhaupt Notiz von ihm nahm.
Und doch hatte er sich nicht ein einziges Mal bei seinem Großvater bedankt. Er hatte nicht gewusst, wie man sich bedankt. Außerdem war er hauptsächlich mit seinem eigenen Überleben beschäftigt gewesen. Nicht lange, nachdem Hoshino bei den Streitkräften angefangen hatte, starb sein Großvater an Krebs. Vorher war er sehr senil geworden, und schließlich hatte er Hoshino nicht mehr erkannt. Seit dem Tod seines Großvaters hatte Hoshino sein Elternhaus nicht mehr besucht.
Als er am nächsten Morgen gegen acht Uhr aufwachte, lag Nakata noch immer fest schlafend in der gleichen Position da. Auch die Frequenz seiner Atemzüge war noch die Gleiche wie am Abend. Der junge Mann ging nach unten und frühstückte mit den anderen Gästen im Speisesaal. Es war ein spärliches Frühstück, wenigstens aber konnte man so viel Misosuppe und Reis haben, wie man wollte.
»Nimmt Ihr Begleiter kein Frühstück?«, sprach ihn die Wirtin an.
»Er schläft noch fest. Danke, ich glaube, er braucht keins. Tut mir leid, aber er wird wohl noch eine Weile im Bett bleiben«, sagte er.
Da Nakata um die Mittagszeit immer noch schlief, beschloss der junge Mann, das Zimmer für eine weitere Nacht zu reservieren. Dann ging er aus und aß in einem Lokal Hühnchen-Ei-Topf. Anschließend schlenderte er ein Weilchen durch die Gegend, ging in ein Café, rauchte und las ein paar von den dort ausliegenden Comiczeitschriften.
Als er ins Hotel zurückkam, schlief Nakata immer noch. Inzwischen war es beinahe zwei Uhr nachmittags. Ein wenig besorgt legte er Nakata die Hand auf die Stirn. Es war nichts Außergewöhnliches festzustellen. Sie war weder heiß noch kalt. Sein Atem ging weiterhin ruhig und regelmäßig, und seine Wangen zeigten eine vollkommen gesunde Röte. Nakata sah nicht aus, als ob ihm etwas fehle. Er schlief nur einfach tief und fest, ohne seine Lage zu verändern.
»Ob das gut ist, so lange zu schlafen? Das ist bestimmt nicht gesund.« Die Wirtin, die gekommen war, um nach dem Rechten zu sehen, schien etwas beunruhigt.
»Er war sehr müde«, sagte Hoshino. »Am besten, wir lassen ihn schlafen, solange er will.«
»Gut, aber so fest habe ich noch nie jemanden schlafen sehen.«
Auch als es Zeit zum Abendessen wurde, schlief Nakata noch. Der junge Mann ging in ein Curry-Restaurant und aß ein Rindfleischcurry mit Salat. Wie am Abend zuvor spielte er danach etwa eine Stunde Pachinko. Diesmal setzte er nicht einmal 1000 Yen ein und gewann zwei Stangen Marlboro. Als er damit ins Hotel zurückkam, war es halb zehn. Zu seinem Erstaunen schlief Nakata immer noch.
Der junge Mann rechnete nach. Nakata schlief seit über vierundzwanzig Stunden. Auch wenn er sehr lange schlafen würde, solle sich Hoshino keine Gedanken machen, hatte Nakata gesagt, aber das war nun doch zu lange. Hoshino fühlte sich so ratlos wie
Weitere Kostenlose Bücher