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Kafka am Strand

Kafka am Strand

Titel: Kafka am Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Sie um einen Gefallen bitten.«
    »Was für einen?«
    »Könnten Sie den Stein anheben?«
    »Na klar.«
    »Er ist aber inzwischen viel schwerer geworden.«
    »Ich bin zwar nicht Arnold Schwarzenegger, aber auch kein Schwächling. Bei den Streitkräften bin ich beim Armdrücken Zweiter in meiner Einheit geworden. Außerdem hast du ja gerade erst meinen Rücken wieder in Ordnung gebracht.«
    Hoshino stand auf, umfasste den Stein mit beiden Armen und versuchte ihn hochzuheben. Der Stein rührte sich nicht vom Fleck.
    »Der ist tatsächlich schwerer geworden«, sagte der junge Mann keuchend. »Als wäre er am Boden festgenagelt. Vorhin konnte ich ihn doch noch problemlos heben.«
    »Jawohl. Aber weil er jetzt der berühmte Eingangsstein geworden ist, lässt er sich nicht mehr so leicht bewegen. Das gäbe ja sonst auch nur Probleme.«
    »Da hast du auch wieder Recht.«
    Ununterbrochen spalteten gezackte weiße Lichtlinien den Himmel. Eine Reihe von Donnerschlägen ließ die Erde bis ins Innerste erbeben. Als hätte jemand das Tor zur Hölle geöffnet, dachte Hoshino. Zum Schluss krachte ganz in der Nähe ein Donner, und dann trat mit einem Mal völlige Stille ein. Eine erstickende, dichte Stille. Die Luft war voller Feuchtigkeit und stand. In ihr lag ein Hauch von Argwohn und Verschwörung. Hoshino hatte das Gefühl, unzählige Ohren in verschiedener Größe hingen im Raum, um sie zu belauschen. Mitten am Tag umgab Dunkelheit die beiden, und sie erstarrten und schwiegen. Kurz darauf schleuderte ein unvermittelter Windstoß erneut dicke Regentropfen an die Scheiben, und es begann wieder zu donnern, wenn auch nicht mit der gleichen Heftigkeit wie zuvor. Das Zentrum des Gewitters war über die Stadt hinweggezogen.
    Hoshino hob den Kopf und sah sich im Zimmer um. Es wirkte fremd, und seine vier Wände schienen noch ausdrucksloser als vorher geworden zu sein. Die Marlboro im Aschenbecher war zu einem Aschestäbchen heruntergebrannt. Der junge Mann schluckte und schüttelte die drückende Stille aus seinen Ohren.
    »Mannomann, Nakata.«
    »Was ist denn, Herr Hoshino?«
    »Ich hab das Gefühl, schlecht geträumt zu haben.«
    »Jawohl. Dann haben wir zumindest den gleichen Traum gehabt.«
    »Hm«, sagte Hoshino und kratzte sich ergeben am Ohrläppchen.
    »Also – jedenfalls – ist der Kopf dicker als der Hals. Wie beruhigend.«
    Er stand auf, um noch einmal zu versuchen, den Stein hochzuwuchten. Er holte tief Luft, hielt sie an, konzentrierte seine ganze Kraft auf seine Arme und hob mit einem leisen Ausruf den Stein an. Diesmal hatte der Stein sich ein paar Zentimeter bewegt.
    »Er hat sich bewegt«, sagte Nakata.
    »Angenagelt ist er jedenfalls nicht. Aber das war ja wohl nicht genug.«
    »Jawohl. Wir müssen ihn ganz umdrehen.«
    »Wie einen Eierkuchen?«
    »Genau.« Nakata nickte. »Nakata mag Eierkuchen.«
    »Prima. Dann mal Friede, Freude, Eierkuchen, alles in Buddha, wie man so schön sagt. Ich probier’s noch mal. Mal sehen, ob wir ihn nicht doch irgendwie sauber auf die andere Seite kriegen.«
    Der junge Mann schloss die Augen und konzentrierte sich. Nahm alle seine Kraft zusammen. Diesmal klappt’s, dachte er. Jetzt fällt die Entscheidung. Jetzt oder nie.
    Er platzierte seine Hände sorgfältig auf dem Stein, packte fest zu und regulierte seine Atmung. Zum Schluss holte er tief Luft und wuchtete mit einem Stöhnen, das sich ihm aus tiefster Bauchhöhle entrang, den Stein in einem Ruck in eine Drehung von 45 Grad. Das war die Grenze. Dennoch gelang es ihm irgendwie, den Stein in dieser Position zu halten. Als er, den Stein verzweifelt umklammernd, ausatmete, schrie sein ganzer Körper vor Schmerz. Es war, als kreischte jeder einzelne Knochen, Muskel und Nerv. Doch er durfte jetzt nicht aufgeben. Noch einmal holte er tief Luft und stieß einen Schrei aus. Er selbst hörte ihn nicht. Er wusste nicht einmal, was er da schrie. Mit geschlossenen Augen überschritt er die Grenzen seiner Kraft hin zu einer Kraft, die er eigentlich gar nicht haben konnte. Eine Sauerstoffunterversorgung seines Gehirns ließ alles um ihn herum weiß werden. Als würden Sicherungen durchbrennen, gab ein Nerv nach dem anderen nach. Hoshino konnte nichts sehen. Nichts hören. Nichts denken. Er bekam nicht genügend Luft. Dennoch hielt der junge Mann den Stein irgendwie fest und drehte ihn mit einem Schrei sogar noch auf die andere Seite. Als ein bestimmter Punkt überschritten war, gab der Stein plötzlich den Widerstand auf und rollte durch sein

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