Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kafka am Strand

Kafka am Strand

Titel: Kafka am Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
Vom Netzwerk:
natürlich nicht jedes.
    In einer Bäckerei an der Einkaufsstraße kaufte er ein paar Brötchen, falls Nakata in der Nacht aufwachen und Hunger bekommen sollte. Außerdem besorgte er eine kleine Tüte Orangensaft. Schließlich ging er noch auf die Bank, hob 5000 Yen ab und steckte sie in sein Portemonnaie. Er rief seinen Kontostand ab und überzeugte sich, dass noch genug Geld da war. Er hatte die ganzen Jahre so viel gearbeitet, dass er nicht einmal Zeit gehabt hatte, seinen Lohn auszugeben.
    Inzwischen war es völlig dunkel geworden. Plötzlich bekam Hoshino Lust, einen Kaffee zu trinken. Als er sich umschaute, entdeckte er, etwas von der Einkaufszeile zurückgesetzt, das Schild eines altmodischen Cafes, wie man es heutzutage nur noch selten findet. Er ging hinein, setzte sich in einen der gemütlichen, weichen Sessel und bestellte eine Tasse Kaffee. Aus den englischen, mit solidem Walnussholz verkleideten Lautsprechern ertönte Musik. Er war der einzige Gast. Der junge Mann ließ sich tief in den Sessel sinken. Zum ersten Mal seit langem konnte er sich einmal entspannen. In dem Café herrschte eine so heitere, ungezwungene Atmosphäre, dass er sich wohl und behaglich fühlte. In einer sehr stilvollen Tasse wurde ihm ein kräftiger, schmackhafter Kaffee serviert. Er schloss die Augen und lauschte ruhig atmend dem Einklang von Klavier und Streichern. Er hatte bisher kaum klassische Musik gehört, aber aus irgendeinem Grund beruhigte sie ihn. Ließ ihn nach innen schauen, könnte man vielleicht sagen.
    Während er sich mit geschlossenen Augen in dem weichen Sessel der Musik hingab, kamen ihm allerlei Gedanken, die sich hauptsächlich um sein eigenes Dasein drehten. Je mehr er darüber nachdachte, desto inhaltsleerer erschien ihm sein Leben. Es kam ihm bedeutungslos und überflüssig vor.
    Da bin ich zum Beispiel die ganze Zeit Feuer und Flamme für die Dragons gewesen, dachte er. Aber was für eine Bedeutung haben die eigentlich für mich? Werde ich vielleicht besser, wenn die Chunichi Dragons über die Yomiuri Giants siegen? Nein. Also, wieso habe ich die bis jetzt angefeuert, als wären sie die Stellvertreter für mich?
    Nakata sagt von sich, er sei leer. Kann ja sein. Aber wie steht es denn mit mir? Nakata ist, wie er sagt, als Kind durch einen Unfall leer geworden. Aber ich hatte keinen Unfall. Wenn Nakata leer ist, bin ich dann, wenn ich’s mir recht überlege, nicht noch leerer? Nakata hat zumindest etwas, das mich dazu gebracht hat, ihn nach Shikoku zu begleiten. Etwas Besonderes. Auch wenn ich eigentlich nicht genau weiß, was.
    Der junge Mann bestellte sich noch einen Kaffee.
    »Schmeckt Ihnen unser Kaffee?«, erkundigte sich der weißhaarige Inhaber. (Hoshino konnte es nicht wissen, aber er war ursprünglich Beamter im Kultusministerium gewesen. Nach seiner Pensionierung war er in seine Heimatstadt Takamatsu zurückgekehrt und hatte dieses Café eröffnet, in dem es klassische Musik und guten Kaffee gab.)
    »Ja, sehr gut. Besonders mag ich den Duft.«
    »Wir mahlen den Kaffee selbst und sortieren die Bohnen von Hand aus.«
    »Kein Wunder also.«
    »Ich hoffe, die Musik stört Sie nicht.«
    »Die Musik?«, sagte Hoshino. »Das ist wunderbare Musik. Sie stört mich überhaupt nicht. Kein bisschen. Wer spielt denn da?«
    »Das Trio Rubinstein, Heifetz, Feuermann, das auch das ›Million-Dollar-Trio‹ genannt wird. Hochberühmte Künstler. Diese Aufnahme ist alt – von 1941, aber ihr Glanz ist nicht verblasst.«
    »Den Eindruck habe ich auch. Etwas Gutes wird nie altmodisch.«
    »Es gibt Leute, die eine eher strukturierte, klassische und nüchterne Interpretation des ›Erzherzog-Trios‹ bevorzugen. Zum Beispiel die des Oistrach-Trios.«
    »Nein, ich mag diese«, sagte der junge Mann. »Klingt irgendwie – nostalgisch.«
    »Danke sehr«, sagte der Inhaber höflich im Namen des »Million-Dollar-Trios«. Als er sich zurückgezogen hatte, nahm Hoshino bei seiner zweiten Tasse seinen Gedankengang wieder auf.
    Zumindest bin ich im Augenblick für Nakata von Nutzen. Ich lese für ihn und habe auch den Stein für ihn gefunden. Es ist gar kein übles Gefühl, zu etwas nütze zu sein. Das erlebe ich zum ersten Mal. Obwohl ich einfach blaumache und mich auf lauter unmögliches Zeug eingelassen habe, bereue ich nicht, dass es so gekommen ist.
    Irgendwie habe ich echt das Gefühl, am richtigen Platz zu sein. Die Frage, was ich überhaupt bin, spielt für mich gar keine Rolle, wenn ich mit Nakata zusammen bin. Der

Weitere Kostenlose Bücher