Kafka am Strand
Mühe. Nakata kann Ihnen nicht genug danken. Wenn Sie nicht wären, wäre Nakata bestimmt völlig aufgeschmissen. Und wo Sie doch auch noch Ihre Arbeit haben!«
»Ach die, ja stimmt«, sagte Hoshino etwas betrübt. Bei all den Aufregungen hatte er seine Arbeit völlig vergessen.
»Wenn wir schon davon sprechen, allmählich muss ich zur Arbeit zurück. Mein Chef ist bestimmt schon sauer. Am Telefon habe ich gesagt, ich hätte zu tun und müsse zwei oder drei Tage frei nehmen, mehr nicht. Das gibt eine Strafpredigt, wenn ich zurückkomme.«
Er steckte sich eine neue Marlboro an. Langsam blies er den Rauch aus und schnitt einer Krähe, die auf einem Strommast saß, Grimassen.
»Macht aber nichts. Von mir aus kann mein Chef meckern, bis ihm Dampf aus dem Schädel zischt. Die ganzen Jahre hab ich für andere gearbeitet, bin rumgesaust und hab geschuftet wie eine Ameise. He, Hoshino, wir haben gerade keinen anderen, kannst du heute Abend noch nach Hiroshima fahren? Klar Chef, wird gemacht. Ohne Murren hab ich freiwillig alles übernommen. Zum Dank hab ich mir, wie man sieht, den Rücken versaut. Wer weiß, was noch Schlimmes daraus geworden wäre, wenn du mich nicht geheilt hättest. Wieso soll ich mir für so einen Mist die Gesundheit ruinieren, wo ich erst Mitte zwanzig bin? Kann man’s mir da übel nehmen, wenn ich mal frei mache? Aber, weißt du, Nakata –«
Als er ihn ansprach, merkte der junge Mann, dass Nakata bereits tief und fest schlief. Er hatte die Augen geschlossen, das Gesicht zur Decke gerichtet und die Lippen aufeinander gepresst. Ruhig atmete er durch die Nase. Der umgedrehte Stein lag noch immer an seinem Kopfende.
»Wie einer nur so plötzlich einschlafen kann«, sagte Hoshino verwundert.
Da er nun Zeit hatte, legte er sich auf den Boden, um noch ein bisschen fernzusehen, aber die Nachmittagssendungen waren unerträglich öde. Ihm fiel ein, dass er keine Unterwäsche mehr hatte und sich allmählich irgendwo etwas kaufen musste. Kleiderwaschen war Hoshino überaus verhasst. Anstatt seine Hosen mühsam zu waschen, kaufte er sich lieber eine billige neue. Er ging zur Rezeption und bezahlte noch eine Übernachtung. Sein Begleiter sei müde und schlafe fest, also bitte er darum, ihn nicht zu wecken.
»Allerdings würde er wahrscheinlich sowieso nicht aufwachen«, fügte er noch hinzu.
Ziellos schlenderte Hoshino durch die Stadt und atmete die regenfrische Luft ein. Wie gewohnt trug er seine Chunichi-Dragons-Kappe, die grüne Ray-Ban-Sonnenbrille und sein Hawaiihemd. Am Bahnhof kaufte er sich eine Zeitung. Nachdem er im Sportteil die Spielergebnisse der Chunichi Dragons überprüft hatte (sie hatten in Hiroshima verloren), überflog er das Kinoprogramm. Er beschloss, sich einen neuen Film mit Jackie Chan anzuschauen. Zeitlich kam es genau hin. In einem Polizeiwachhäuschen erfuhr er, dass das Kino ganz in der Nähe lag und er zu Fuß hingehen konnte. Er kaufte sich eine Karte, ging hinein und sah sich, Erdnüsse knabbernd, den Film an.
Als er zu Ende war und Hoshino das Kino verließ, dämmerte es schon. Da ihm nichts Besseres einfiel, beschloss er, etwas essen zu gehen, obwohl er noch keinen großen Hunger verspürte. Er betrat das erstbeste Sushi-Lokal und bestellte eine Portion Nigirisushi und ein Bier. Nach dem anstrengenden Tag war er ausgelaugter, als er vermutet hatte, und er schaffte nur die Hälfte von seinem Bier.
»Na ja, kein Wunder, wenn man nach so einer Schinderei kaputt ist«, dachte der junge Mann. »Ich fühle mich wie das Haus von dem ältesten der drei kleinen Schweinchen, nachdem der böse Wolf es bis Okayama gepustet hat.«
Er verließ das Sushi-Lokal, ging in die nächste Pachinko-Halle und verspielte im Handumdrehen 2000 Yen. Er hatte nicht gerade eine Glückssträhne. Resigniert verließ er die Spielhalle und spazierte wieder eine Weile durch die Stadt. Dabei fiel ihm ein, dass er noch immer keine Unterwäsche gekauft hatte. Unmöglich – das war doch überhaupt der Grund dafür gewesen, dass er ausgegangen war. In einem Discountladen auf einer Einkaufsstraße kaufte er Unterhosen, ein weißes T-Shirt und Socken. Jetzt konnte er seine schmutzigen Sachen endlich wegschmeißen. Allmählich wurde es auch Zeit, das Hawaiihemd zu wechseln, aber nachdem er in mehreren Geschäften gesucht hatte, kam er zu dem Ergebnis, dass es in Takamatsu wohl unmöglich war, ein Hemd nach seinem Geschmack zu finden. Sommers wie winters trug er fast ausschließlich Hawaiihemden, aber
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