Kafka am Strand
ist die Ausstattung der Innenräume im Gegensatz zur robusten Bodenständigkeit des Gebäudes raffiniert und luxuriös. Die elegante Schnitzerei der durchbrochenen Oberlichter an den Türen hat wohl kaum ihresgleichen. An dem Bau haben alle führenden Meister von Shikoku mitgewirkt.«
Wir steigen nun gemeinsam durch das hohe Treppenhaus in den ersten Stock hinauf. Das Ebenholzgeländer ist so blank poliert, dass die leiseste Berührung mit den Fingern Abdrücke hinterlassen würde. In die Vorderfenster am Treppenabsatz ist mit Buntglas das Bild eines Hirsches eingesetzt, der den Hals nach einer Traube reckt. Im ersten Stock liegen zwei Gästezimmer und ein großer Saal, der früher wahrscheinlich mit Tatami ausgelegt war und in dem man Bankette und Zusammenkünfte abhielt. Jetzt ist der Boden aus Holz, und zahlreiche Schrift- und Bildrollen zieren die Wände. In der Mitte steht eine große Glasvitrine mit geschichtsträchtigen Erinnerungsstücken. Das eine Gästezimmer ist im westlichen Stil, das andere im japanischen gehalten. Das westlich eingerichtete Zimmer mit einem großen Schreibtisch und einem Drehstuhl sieht aus, als werde es heute noch benutzt. Vom Fenster hinter dem Schreibtisch sieht man eine Reihe von Kiefern und dazwischen ein bisschen vom Horizont.
Das Ehepaar aus Osaka liest laut die Erklärungen vor, während es sich die einzelnen Exponate anschaut. Wie um seine Frau zu ermutigen, stimmt der Mann jeder ihrer Bemerkungen zu. Zwischen den beiden scheint es keinerlei Meinungsverschiedenheiten zu geben. Da mich die Ausstellungsstücke nicht sehr interessieren, schaue ich mir die Bauweise genauer an. Als ich gerade das westliche Zimmer in Augenschein nehme, gesellt Frau Saeki sich zu mir.
»Wenn Sie wollen, können Sie sich ruhig auf den Drehstuhl setzen«, sagt sie. »Hier haben schon Shiga Naoya und Tanizaki Junichiro gesessen. Natürlich war es damals nicht derselbe Stuhl.«
Ich setze mich und lege sacht beide Hände auf den Schreibtisch.
»Wie sieht’s aus? Bekommen Sie Lust, etwas zu schreiben?«
Ich erröte ein wenig und schüttele den Kopf. Frau Saeki lacht und geht zu dem Ehepaar im Nebenzimmer. Von dem Drehstuhl aus sehe ich ihr nach, verfolge die Bewegungen ihres Körpers beim Gehen. Sie sind von großer natürlicher Eleganz. Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll, aber es ist etwas Besonderes daran. Mit dem Rücken scheint ihre Gestalt mir etwas mitzuteilen, etwas, wofür es keine Worte gibt. Etwas, das sich nicht von vorne übermitteln lässt. Aber was dieses Etwas ist, weiß ich nicht. Es gibt so vieles, das ich nicht weiß.
Ich bleibe auf dem Stuhl sitzen und sehe mich im Raum um. An der Wand hängt ein Ölgemälde von der hiesigen Küstenlandschaft. Der Stil ist altmodisch, aber die Farben wirken frisch. Auf dem Schreibtisch stehen ein großer Aschenbecher und eine Lampe mit grünem Schirm. Als ich den Schalter betätige, leuchtet sie auf, wie es sich gehört. An der Wand gegenüber hängt eine alte schwarze Uhr. Sie wirkt antik, geht aber richtig. Die Dielen sind stellenweise ausgetreten und knarren leise, wenn man darauf tritt.
Am Ende der Führung bedankt sich das Ehepaar aus Osaka bei Frau Saeki und macht sich auf den Rückweg. Die beiden gehören einem Tanka-Kreis in Kansai an. Bei der Frau ist dies leicht vorstellbar, aber welche Art von Gedichten der Mann wohl schreibt? Aus Zustimmung und Nicken kann man doch keine Gedichte machen. Ob dazu nicht mehr Eigeninitiative nötig ist? Und woher nimmt er wohl den Stoff für seine Gedichte?
Ich gehe in den Lesesaal zurück, um mich wieder meinem Buch zu widmen. Im Laufe des Nachmittags kommen mehrere Leute. Die meisten tragen Lesebrillen, und dadurch sehen sie sich alle irgendwie ähnlich. Die Zeit verstreicht nun sehr langsam. Alle sind in ihre Lektüre vertieft. Niemand spricht. Einige sitzen an den Pulten in der Mitte und machen sich Notizen, schweigend und ohne ihre Haltung zu verändern. Wie ich auch.
Um fünf beende ich meine Lektüre, stelle das Buch ins Regal zurück und verlasse die Bibliothek.
»Wann öffnen Sie morgen?«, erkundige ich mich noch.
»Um elf. Montags haben wir geschlossen«, sagt Oshima.
»Kommst du morgen wieder?«
»Ja, wenn es nicht stört.«
Oshima kneift die Augen zusammen und sieht mich an. »Natürlich nicht. Eine Bibliothek ist dazu da, dass Leute in ihr lesen. Also komm bitte wieder. Übrigens, trägst du immer so viel Gepäck mit dir rum? Sieht schwer aus. Was hast du denn da drin
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