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Kafka am Strand

Kafka am Strand

Titel: Kafka am Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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verschiedenster Kleidung wuseln mit ihrem Gepäck durcheinander. Anscheinend hat jeder ein Ziel und ist irgendwohin unterwegs. Ich starre diese Menschen an. Auf einmal muss ich daran denken, was in hundert Jahren sein wird.
    In hundert Jahren werden all diese Leute (ich eingeschlossen) von der Erde verschwunden und zu Asche oder Staub geworden sein. Bei diesem Gedanken wird mir seltsam zumute. Offenbar ist alles flüchtiger Schein. Und wird von einem Windstoß zerstreut. Ich breite meine Hände aus und starre sie an. Wozu plage ich mich eigentlich so? Worum kämpfe ich so verzweifelt?
    Ich schüttele den Kopf und höre auf, nach draußen zu schauen, höre auf, daran zu denken, was in hundert Jahren sein wird. Ich versuche an die Gegenwart zu denken. An die Bücher, die ich in der Bibliothek lesen, und an die Geräte, an denen ich im Sportstudio trainieren werde.
    Zu viele Gedanken an die Zukunft zu verschwenden führt zu nichts.
    »Na also«, sagt Krähe. »Du bist doch der stärkste Fünfzehnjährige auf der Welt.«
     
    Im selben Geschäft wie am Tag zuvor kaufe ich mir eine Lunchbox und steige dann in die Bahn. Gegen halb zwölf komme ich in der Komura-Gedächtnisbibliothek an. Wieder sitzt Oshima an der Theke und liest in einem dicken Buch, das aufgeschlagen vor ihm liegt. Er trägt ein blaues, bis zum Hals zugeknöpftes Hemd von Leon, weiße Jeans und weiße Tennisschuhe. Neben ihm liegt (wahrscheinlich) derselbe gelbe Bleistift wie gestern. Die Haare fallen ihm ins Gesicht. Bei meinem Eintreten schaut er auf, lächelt und nimmt meinen Rucksack in Verwahrung.
    »Du gehst noch nicht wieder zur Schule?«
    »Nein«, antworte ich ehrlich.
    »Eine Bibliothek ist an sich keine schlechte Alternative.« Oshima dreht sich um und schaut auf die Uhr hinter sich, um sich dann wieder den Seiten seines Buches zuzuwenden.
    Ich gehe in den Lesesaal und lese weiter in Burtons Märchen aus 1001 Nacht. Wie meistens, wenn ich erst einmal sitze und ein Buch aufgeschlagen habe, kann ich nicht mehr aufhören. Ich habe die Märchen aus 1001 Nacht schon früher einmal in der Bücherei in einer Bearbeitung für Kinder gelesen, doch da die Geschichten in der authentischen Fassung lang und die vielen Details der Episoden kompliziert sind, habe ich nicht den Eindruck, das Gleiche noch einmal zu lesen. Sie faszinieren mich ungemein. Es gibt unanständige Geschichten, voller Gewalt und Erotik, und auch viele, die ich nicht verstehe. Aber eine ungebändigte Lebenskraft erfüllt sie (wie der Geist die Wunderlampe), die mich in ihren Bann schlägt und nicht mehr loslässt. Diese vor über tausend Jahren geschriebenen fantastischen Geschichten sind lebendiger und fesselnder als die unzähligen gesichtslosen Menschen, die vor dem Bahnhof herumwimmeln. Wie kann das nur sein? Es ist mir ein Rätsel.
    Um eins gehe ich wieder in den Garten, setze mich auf die Veranda und verzehre meine mitgebrachte Lunchbox. Als ich sie etwa zur Hälfte aufgegessen habe, kommt Oshima, um mir zu sagen, dass ich am Telefon verlangt werde.
    »Am Telefon?«, entfährt es mir erschrocken. »Ich?«
    »Ja, wenn dein Name Kafka Tamura ist.«
    Mit rotem Kopf stehe ich auf und nehme das schnurlose Telefon, das er mir entgegenhält.
    Es ist das Mädchen von der Rezeption im Hotel. Vielleicht will sie überprüfen, ob ich wirklich den ganzen Tag in der Komura-Gedächtnisbibliothek arbeite. Ihre Stimme klingt, als sei sie erleichtert, dass ich nicht gelogen habe. Sie habe mit dem Manager über meine Angelegenheit gesprochen, und er habe gesagt, zwar sei bisher ein solcher Fall noch nicht vorgekommen, aber da ich noch jung sei und für die Umstände nichts könne, dürfe ich noch eine Weile zum ermäßigten YMCA-Zimmerpreis im Hotel übernachten. Augenblicklich sei ohnehin nicht viel Betrieb, da könne man flexibel sein. Schließlich handele es sich ja um eine sehr renommierte Bibliothek, und ich solle mir ruhig die Zeit nehmen, gründlich zu forschen, richtet sie mir aus.
    Erleichtert bedanke ich mich. Ich habe wegen meiner Lüge ein etwas schlechtes Gewissen, aber was soll ich tun? Um zu überleben, muss man wohl einiges in Kauf nehmen. Ich lege auf und gebe Oshima den Apparat zurück.
    »Schon als sie nach einem Oberschüler gefragt hat, der jeden Tag hierher kommt, dachte ich mir, dass das nur du sein kannst«, sagt er.
    »Ich habe vorsichtshalber gleich gesagt, dass du hier unermüdlich von morgens bis abends liest. Stimmt ja auch, oder?«
    »Danke«, sage ich.
    »Kafka

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