Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kafka am Strand

Kafka am Strand

Titel: Kafka am Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
Vom Netzwerk:
eingefroren. Aber das Wichtigste ist, dass ich den Rucksack gefunden habe. Ich suche die kleine Taschenlampe heraus und überprüfe oberflächlich seinen Inhalt. Anscheinend habe ich wirklich nichts verloren. Das Täschchen mit dem Bargeld ist auch an seinem Platz. Erleichtert seufze ich auf.
    Den Rucksack über der Schulter, bahne ich mir einen Weg durchs Dickicht, bis ich an eine offene Stelle gelange. Ich entdecke einen schmalen Pfad. Nachdem ich ihm im Schein meiner Taschenlampe ein Stück gefolgt bin, sehe ich Licht und komme zu einer Art Schrein. Das Wäldchen, in dem ich ohnmächtig gelegen habe, befindet sich auf der Rückseite der Haupthalle.
    Es ist ein ziemlich großer Schrein, doch auf seinem Hof steht nur eine Lampe und wirft ihr kaltes Licht auf die Haupthalle, den Opferstock und das Gestell mit den Votivtäfelchen. Mein Schatten wirkt auf dem Kies eigenartig lang. Auf einer Tafel entdecke ich den Namen des Schreins und merke ihn mir. Es ist niemand zu sehen. Ich gehe weiter und komme zu einer Toilette. Sie ist einigermaßen sauber, sodass ich den Rucksack absetze und mir am Wasserhahn das Gesicht wasche. Dann erst betrachte ich mich in dem trüben Spiegel über dem Waschbecken. Ich bin zwar auf einiges gefasst, aber dass ich so furchtbar aussehe … Meine Wangen sind bleich, und an meinem Hals klebt Schlamm. Die Haare stehen mir in alle Richtungen zu Berge.
    Irgendetwas Schwarzes klebt in Brusthöhe auf meinem weißen T-Shirt. Dieses Etwas hat die Form eines Schmetterlings mit ausgebreiteten Flügeln. Zuerst will ich es mit der Hand abbürsten. Aber es geht nicht. Es fühlt sich seltsam klebrig an. Um mich zu beruhigen, lege ich absichtlich langsam das Jeanshemd ab und ziehe mir dann das T-Shirt über den Kopf. Im flackernden Neonlicht sehe ich, dass es mit dunkelrotem Blut getränkt ist. Das Blut ist noch frisch und nicht getrocknet. Es ist ziemlich viel. Ich halte mir das Hemd vors Gesicht, um daran zu riechen. Auch das Jeanshemd, das ich über dem T-Shirt getragen habe, ist mit Blut bespritzt, aber nicht sehr. Außerdem fallen auf dem dunkelblauen Untergrund die Blutflecke nicht so auf. Im Gegensatz zu dem Blut auf dem weißen T-Shirt, das erschreckend frisch und lebendig wirkt.
    Ich versuche es im Waschbecken auszuwaschen. Das Blut mischt sich mit Wasser und färbt das weiße Porzellanbecken hellrot. Doch sosehr ich auch reibe und schrubbe, der Blutfleck bleibt, will einfach nicht verschwinden. Ich schicke mich an, das Hemd in den Mülleimer neben dem Becken zu werfen, überlege es mir dann aber anders. Es ist besser, es irgendwo anders wegzuwerfen. Ich wringe das Hemd kräftig aus, stecke es in meine Plastiktüte für Wäsche und packe sie in den Rucksack. Ich mache meine Haare nass, um sie zu glätten. Dann hole ich die Seife aus meinem Waschbeutel und wasche mir die noch etwas zitternden Hände. Ich reinige sie mir lange und gründlich bis in alle Zwischenräume. Bis unter die Nägel ist das Blut gedrungen. Mit einem feuchten Handtuch reibe ich mir dort, wo es durch das Hemd gesickert ist, seine Spuren von der nackten Brust. Schließlich ziehe ich das Hemd wieder an, knöpfe es bis zum Hals zu und stecke es in die Hose. Um keine Blicke auf mich zu ziehen, muss ich mich zumindest einigermaßen anständig wieder herrichten.
    Aber ich habe Angst. Meine Zähne klappern unablässig. Sosehr ich auch versuche, das Klappern unter Kontrolle zu bringen, es gelingt mir nicht. Als ich meine zitternden Hände ausstrecke und betrachte, kommen sie mir gar nicht wie meine Hände vor. Eher wie zwei unabhängige Lebewesen. Außerdem brennen meine Handflächen fürchterlich. Als hätte ich einen heißen Eisenstab umklammert.
    Beide Hände auf den Rand des Waschbeckens gestützt, presse ich mein Gesicht gegen den Spiegel. Am liebsten würde ich in Tränen ausbrechen. Aber auch wenn ich weine, wird niemand mir zu Hilfe kommen. Niemand –
     
    Du MEINE güte, wo KOMMT denn das viele blut her? was hast du gemacht? aber du erinnerst dich ja an nichts. es sieht nicht so aus, als hättest du dich verletzt. ausser in der linken schulter hast du keine nennenswerten schmerzen. das heisst, das blut an dir ist nicht dein eigenes. also ist das blut eines anderen menschen geflossen.
    HIER kannst du jedenfalls nicht ewig bleiben. wenn dich eine polizeistreife erwischt, bist du dran. So VOLLER blut, wie du bist. andererseits würde ich mir’s auch gut überlegen, ob ich direkt ins hotel zurückginge. möglicherweise wartet dort

Weitere Kostenlose Bücher