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Kafka am Strand

Kafka am Strand

Titel: Kafka am Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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schon jemand auf deine rückKEHR. VORSICHT ist besser als nachsicht. vielleicht bist du, ohne es zu wissen, in ein verbrechen verwickelt. oder bist sogar selbst der verbrecher.
    ZUM glück hast du dein ganzes gepäck bei dir. gut, dass du zur sicherheit den schweren rucksack mit deiner ganzen habe überall mit dir herumschleppst. das hast du richtig gemacht. also mach dir nicht so grosse sorgen und hab nicht solche angst. Bis JETZT hast du doch alles gut hingekriegt. schliesslich bist du der stärkste fünfzehnjährige auf der welt. hab selbstvertrauen. atme tief durch und konzentriere dich auf das wesentliche. dann wirst du schon zurechtkommen. allerdings musst du sehr vorsichtig sein. irgendwo ist blut geflossen. echtes blut. und eine ganze menge davon. vielleicht sucht schon jemand ernsthaft nach dir.
    MACH dich auf die socken. für dich gibt es nur eins.
    NUR einen ort, an den du gehen solltest. Du WEISST doch, WO DAS IST.
     
    Ich hole tief Luft und reguliere meine Atmung, schultere meinen Rucksack und verlasse die Toilette. Der Kies knirscht unter meinen Schritten, während ich durch das Neonlicht schreite. Im Gehen lasse ich meinen Kopf angestrengt arbeiten. Ich drücke Knöpfe, kurbele und wälze Gedanken, aber mir fällt nichts ein. Die Batterie, die den Motor antreibt, ist furchtbar schwach. Ich brauche einen warmen, sicheren Ort. Ich muss eine Weile Zuflucht finden und mich erholen. Aber wo nur? Als Erstes fällt mir die Bibliothek ein. Die Komura-Bibliothek. Aber die öffnet erst um elf Uhr vormittags. Bis dahin ist es noch lange. Irgendwo muss ich diese Zeit verbringen.
    Außer der Komura-Bibliothek gibt es nur noch einen anderen Ort. Ich setze mich an einen nicht einsehbaren Platz, nehme das Handy aus dem Rucksack und überzeuge mich, dass es noch funktioniert. Dann hole ich aus meiner Brieftasche den Zettel mit Sakuras Handynummer und gebe sie ein. Meine Finger sind noch unsicher, und erst nachdem ich mich mehrmals verwählt habe, gelingt es mir, die lange Nummer fehlerfrei zu drücken. Zum Glück ist keine Mailbox eingeschaltet. Nach zwölfmaligem Klingeln hebt Sakura ab. Ich sage meinen Namen.
    »Kafka Tamura«, sagt sie schlecht gelaunt. »Weißt du, wie spät es ist? Mitten in der Nacht.«
    »Entschuldige, ich weiß«, krächze ich und merke, dass meine Stimme entsetzlich steif klingt. »Aber ich weiß nicht, was ich machen soll. Es ist dringend. Du bist die Einzige, die mir helfen kann.«
    Am anderen Ende herrscht Schweigen. Sie scheint die Schwere der Sachlage an meinem Tonfall zu ermessen.
    »Ist es was Ernstes?«
    »Ich weiß auch nicht genau – ich glaube. Hilf mir nur dieses eine Mal. Ich mache dir auch so wenig Umstände wie möglich.«
    Sie überlegt kurz. Nicht dass sie unentschlossen ist. Sie denkt nur nach. »Wo bist du jetzt?«
    Ich nenne ihr den Namen des Schreins. Sie kennt ihn nicht.
    »Aber er ist in Takamatsu?«
    »Ich bin nicht ganz sicher, aber ich vermute mal.«
    »O Mann, du weißt nicht mal, wo du bist?«, sagt sie erstaunt.
    »Das ist eine lange Geschichte.«
    Sie seufzt. »Greif dir irgendwo in der Nähe ein Taxi und fahr bis zu dem Lawson an der Ecke **, zweiter Block. Dem Lawson-Supermarkt. Der hat ein Riesenschild, das kannst du nicht verfehlen. Hast du Geld fürs Taxi?«
    »Ja.«
    »Gut«, sagt sie und legt auf.
     
    Ich verlasse den Schrein durch das Tor und gelange auf eine große Straße, wo ich Ausschau nach einem Taxi halte. Es kommt auch gleich eins und hält an. Ich frage den Fahrer, ob er den Lawson-Supermarkt an der Ecke **, zweiter Block kennt. Er kennt ihn. Ob es weit sei? Nein, nicht besonders. Es würde kaum mehr als 1000 Yen kosten.
    Vor dem Lawson hält das Taxi, und ich bezahle mit noch immer zittrigen Fingern. Dann betrete ich mit dem Rucksack über der Schulter das Geschäft. Da ich viel schneller angekommen bin als erwartet, kann Sakura noch nicht da sein. Ich kaufe mir eine kleine Tüte Milch, wärme sie in der Mikrowelle auf und trinke sie langsam. Als mir die warme Milch durch die Kehle in den Magen rinnt, beruhige ich mich ein wenig. Beim Betreten des Ladens hat ein Angestellter, der wohl einen Ladendieb argwöhnt, einen wachsamen Blick auf meinen Rucksack geworfen; ansonsten beachtet mich niemand. Ich tue, als würde ich mir eine Zeitschrift aussuchen, betrachte mich aber in der Glasscheibe vor dem Regal. Mein Haar ist noch zerzaust, aber die Blutflecken auf meinem Jeanshemd sind kaum zu sehen. Wahrscheinlich wirken sie nur wie gewöhnliche

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