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Kafka am Strand

Kafka am Strand

Titel: Kafka am Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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»Und das bist du ja. Heute hast du dann plötzlich das Bewusstsein oder das Gedächtnis verloren.«
    »Stimmt.«
    »Ist das vorher schon mal passiert?«
    »Hin und wieder«, gebe ich zu. »Mein Kopf schaltet ab, als wäre eine Sicherung durchgeknallt. Als würde jemand einen Schalter in meinem Kopf drücken, und mein Körper bewegt sich, bevor ich denke. Derjenige, der da ist, bin ich, andererseits aber auch nicht.«
    »Du verlierst die Kontrolle und wirst gewalttätig oder so?«
    »Das ist auch schon ein paar Mal vorgekommen«, gestehe ich.
    »Hast du jemanden verletzt?«
    Ich nicke. »Zweimal. Aber nicht ernsthaft.«
    Sie überlegt einen Moment.
    »Meinst du, dass das, was diesmal passiert ist, das Gleiche war?«
    Ich schüttele den Kopf. »So schlimm war es noch nie. Diesmal … hatte ich nicht die geringste Ahnung, dass ich überhaupt bewusstlos geworden bin. An das, was ich währenddessen getan habe, erinnere ich mich gar nicht. Ich weiß absolut nichts mehr. Das ist bis jetzt noch nie passiert.«
    Sie nimmt das T-Shirt, das ich aus meinem Rucksack geholt habe, in Augenschein und inspiziert den Blutfleck, der beim Waschen nicht herausgegangen ist.
    »Also – das Letzte, woran du dich erinnerst, ist das Abendessen. Du warst in einem Lokal am Bahnhof?«
    Ich nicke.
    »Danach weißt du nichts mehr. Du bist erst vier Stunden später im Gebüsch hinter dem Schrein wieder zu dir gekommen. Dein Hemd war voller Blut, und du hattest einen stechenden Schmerz in der linken Schulter.«
    Wieder nicke ich. Sie holt irgendwoher einen Stadtplan, breitet ihn auf dem Tisch aus und schätzt die Entfernung zwischen dem Bahnhof und dem Schrein.
    »Es ist nicht weit. Nicht zu weit zum Laufen. Warum bist du nur dorthin gegangen? Vom Bahnhof aus liegt der Schrein doch in einer ganz anderen Richtung als dein Hotel. Warst du vorher schon mal in der Gegend?«
    »Noch nie.«
    »Zieh mal dein Hemd aus«, sagt sie.
    Als ich meinen Oberkörper entblöße, tritt sie hinter mich und drückt mit der Hand gegen meine linke Schulter. Ihre Fingerspitzen bohren sich in meine Schulter, sodass ich unwillkürlich aufstöhne. Sie hat Kraft.
    »Tut das weh?«
    »Ziemlich.«
    »Du bist voll gegen etwas gerannt. Oder es hat dich was mit voller Wucht getroffen.«
    »Ich kann mich an nichts erinnern.«
    »Wenigstens scheint nichts gebrochen zu sein«, sagt sie und untersucht die schmerzende Stelle mehrmals auf verschiedene Weise. Trotz der Schmerzen tut der Druck ihrer Finger mir seltsamerweise gut. Als ich ihr das sage, lächelt sie.
    »Ich habe ein besonderes Talent für Massage. Deshalb kann ich auch von meiner Arbeit als Kosmetikerin leben. Wenn du massieren kannst, wirst du überall genommen.«
    Sie massiert meine Schulter noch eine Weile weiter. »Ich glaube nicht, dass es etwas Ernstes ist. Nach einer guten Nachtruhe lassen die Schmerzen bestimmt nach.«
    Sie packt mein T-Shirt in eine Plastiktüte und wirft es in den Mülleimer. Nachdem sie mein Hemd kurz untersucht hat, legt sie es in die Waschmaschine im Bad. Nach einigem Kramen zieht sie aus einer Schublade der Kommode ein weißes T-Shirt hervor und reicht es mir. Es ist noch neu, mit einem Whale-Watching-Motiv von der Insel Maui.
    »Das ist das größte von den Hemden hier drin. Es gehört mir nicht, aber das macht nichts. Sieht aus wie ein Mitbringsel von irgendjemandem. Zieh’s erst mal an, auch wenn es dir vielleicht nicht so gefällt.«
    Ich streife es mir über den Kopf. Es passt wie angegossen.
    »Wenn du magst, kannst du es haben.«
    Ich bedanke mich.
    »Dein Gedächtnis hat also noch nie so lange ausgesetzt?«, fragt sie.
    Nein. Ich schließe die Augen, spüre das neue weiche T-Shirt und atme seinen Geruch ein.
    »Weißt du, Sakura, ich habe große Angst«, vertraue ich ihr offen an. »So große Angst, dass ich weder ein noch aus weiß. Vielleicht habe ich in den vier Stunden jemandem etwas angetan. Ich weiß doch gar nichts mehr. Und ich war voller Blut. Wenn ich nun wirklich ein Verbrechen begangen habe, muss ich doch, auch wenn ich nichts mehr davon weiß, die Verantwortung dafür übernehmen. Oder?«
    »Ja, aber vielleicht war es nur Nasenbluten. Jemand geht geistesabwesend die Straße entlang, rennt gegen einen Strommast und kriegt Nasenbluten, und du hast dich um ihn gekümmert. Könnte doch sein. Ich kann deine Angst gut verstehen, aber versuch doch wenigstens bis morgen früh nicht an so etwas Schlimmes zu denken. Morgen früh, wenn die Zeitung gebracht wird und im Fernsehen

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