Kafka am Strand
nicht mehr da. Ich stelle meine eigenen Regeln auf und halte sie aufmerksam ein. So werde ich mich nicht verirren. Vielleicht.
Ich erreiche den Punkt, an dem ich am Tag zuvor umgekehrt bin, und gehe weiter. Ich durchquere das Meer der Farne, das den Weg überflutet, und stoße nach einer Weile auf die Fortsetzung des Pfades. Dann bin ich wieder von einem Wall von Bäumen umgeben. Damit ich den Rückweg problemlos wiederfinde, schneide ich mit dem Beil Zeichen in die Stämme. Irgendwo über mir in den Ästen schlägt ein großer Vogel mit den Flügeln, wie um einen Eindringling zu verscheuchen. Doch als ich nach oben schaue, kann ich keinen Vogel entdecken. Mein Mund ist völlig ausgedörrt, und wenn ich schlucke, klingt es sehr laut.
Als ich eine Zeit lang gegangen bin, erreiche ich eine runde, von hohen Bäumen umstandene Lichtung, die an den Boden eines Brunnens erinnert. Sonnenstrahlen dringen wie Scheinwerfer durch die Äste und bedecken die Erde zu meinen Füßen mit Lichtkegeln. Die Lichtung scheint ein ganz besonderer Ort zu sein. Während ich in der Sonne sitze und die spärliche Wärme ihrer Strahlen aufnehme, hole ich einen Schokoriegel aus der Tasche, beiße hinein und genieße es, wie sich die Süße in meinem Mund ausbreitet. Wieder erfahre ich, wie wichtig die Sonne für uns Menschen ist. Jede köstliche Sekunde genieße ich mit meinem ganzen Körper. Die starken Gefühle von Angst und Ohnmacht, die in der letzten Nacht die unzähligen Sterne ausgelöst haben, sind verschwunden. Doch mit der Zeit verändert die Sonne ihren Stand, und das Licht lässt nach. Ich erhebe mich und kehre auf dem Weg, auf dem ich gekommen bin, zur Hütte zurück.
Am Nachmittag ziehen auf einmal dunkle Wolken auf. Der Himmel ist von einer geheimnisvollen Farbe getränkt. Jäh beginnt es heftig zu regnen, sodass das Dach der Hütte und die Scheiben mitleiderregend aufschreien. Ich reiße mir die Kleider vom Leib und renne nackt in den Regen hinaus. Mit Seife wasche ich mir Haare und Körper. Es ist ein herrliches Gefühl. Laut rufe ich sinnlose Worte in die Landschaft. Große, harte Regentropfen prasseln wie Kiesel auf meinen ganzen Körper. Der peitschende Schmerz erscheint mir wie ein Teil eines religiösen Rituals. Die Schläge treffen mich an den Wangen, den Augenlidern, an Brust, Bauch, Penis, Hoden, am Rücken, am Hintern, an den Beinen. Ich kann die Augen nicht offen halten. Dieser Schmerz hat eindeutig etwas Vertrautes. Ich spüre, dass mir auf dieser Welt grenzenlose Gerechtigkeit widerfährt. Das macht mich glücklich, und ich fühle mich wie befreit. Ich strecke beide Arme gen Himmel, öffne den Mund und trinke das herabströmende Wasser.
Um mich abzutrocknen, gehe ich ins Haus. Ich setze mich auf das Bett und nehme meinen Penis in Augenschein. Er sieht hell und gesund aus, nachdem die Vorhaut sich gerade geschält hat. Auf der Eichel spüre ich noch leicht den Schmerz des prasselnden Regens. Lange betrachte ich dieses seltsame Organ, das mir nicht gehorcht, obwohl es zu mir gehört. Es kommt mir vor wie ein selbständiges Wesen.
Ob Oshima, als er in meinem Alter hier allein war, unter den gleichen sexuellen Schwierigkeiten litt? Wahrscheinlich. Das liegt am Alter. Aber dass er sich selbst Abhilfe geschaffen hat, kann ich mir nicht vorstellen. Oshima ist über so etwas erhaben.
»Ich bin anders«, hat er gesagt. Was er damit meinte, weiß ich nicht. Ganz bestimmt hat er es nicht nur so dahingeplappert. Das weiß ich. Und ich weiß auch, dass er sich nicht nur interessant machen will.
Ich strecke die Hand aus, um zu masturbieren, überlege es mir aber anders, denn ich will mir das seltsam reine Gefühl nach dem prasselnden Regen noch eine Weile erhalten. Ich ziehe frische Boxershorts an und atme mehrmals tief ein. Nach hundert Squats kommen hundert Situps. Dabei konzentriere ich mich auf jeden einzelnen Muskel. Nach diesen Übungen ist mein Kopf völlig klar. Der Regen hat aufgehört, die Wolken reißen auf, und die Sonne kommt hervor. Auch die Vögel zwitschern wieder.
ABER du weisst doch, dass diese ruhe nicht lange anhält? und dass diese unersättlichen tiere dich überallhin verfolgen werden. bis in den tiefsten wald. sie sind zäh, hartnäckig und erbarmungslos, sie kennen keine müdigkeit und geben nie auf. auch wenn du dich jetzt beherrschst und nicht masturbiert hast, werden dich feuchte träume heimsuchen, in denen du dich vielleicht an deiner richtigen schwester oder an deiner mutter vergehen
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