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Kafka am Strand

Kafka am Strand

Titel: Kafka am Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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sondern zum Greifen nah zu sein. In keinem Planetarium gibt es so viele Sterne. Einige sind unheimlich groß und deutlich zu sehen. Als brauchte ich nur die Hände auszustrecken, um sie zu berühren. Die Schönheit dieses Anblicks nimmt mir schier den Atem.
    Aber nicht allein die Schönheit. Ja, denke ich, die Sterne leben und atmen, ebenso wie die Bäume im Wald. Und sie sehen mich. Sie wissen, was ich getan habe und was ich noch tun werde. Ihren Blicken kann ich nicht entfliehen. Unter diesem funkelnden Himmel befällt mich abermals die Angst. Ich bekomme keine Luft, und mein Herz rast. Mein ganzes Leben lang bin ich von dieser erschreckenden Anzahl von Sternen beobachtet worden und habe nichts davon gemerkt. Nicht ein einziges Mal habe ich bisher richtig über die Sterne nachgedacht. Und das gilt nicht nur für die Sterne. Wie viele Dinge es wohl noch auf der Welt gibt, von denen ich nichts weiß und die ich nicht bemerkt habe? Bei diesem Gedanken empfinde ich eine hoffnungslose Ohnmacht, eine Ohnmacht, der ich nicht entkommen kann.
    Ich gehe in die Hütte und staple sorgsam Holz im Ofen. Ich zerknülle altes Zeitungspapier, das ich in einer Schublade finde, zünde es mit einem Streichholz an und warte, dass die Flammen auf das Holz übergreifen. Wie man Feuer macht, habe ich im Sommerlager auf der Grundschule gelernt. Das Lager war absolut grauenhaft, aber immerhin ist etwas Nützliches dabei herausgekommen. Ich öffne die Lüftungsklappe. Zuerst passiert nichts, aber dann fängt doch ein Scheit Feuer, und von ihm springen die Flammen auf das übrige Holz über. Ich schließe den Ofendeckel, rücke einen Stuhl heran, hole mir die Lampe und lese in ihrem Schein weiter. Als die Flammen hell brennen, setze ich einen Kessel mit Wasser auf, der hin und wieder gemütlich zischt.
     
    Selbstverständlich ließen sich Eichmanns Pläne nicht völlig in die Tat umsetzen. Trotz genauster Berechnungen erwies sich einiges als in der Realität nicht durchführbar. In solchen Fällen zeigte Eichmann zumindest eine menschliche Seite. Er wurde wütend. Unsicherheitsfaktoren, welche die unglaubliche Unverschämtheit besaßen, seine schönen, am Schreibtisch entstandenen Berechnungen zu stören, waren ihm verhasst. Verspätungen der Züge. Bürokratische Hindernisse. Ein Kommandeurswechsel, und die Übergabe funktionierte nicht. Nach dem Fall der Ostfront verlegte man die Lagerschutztruppen an die Front. Heftiger Schneefall. Stromausfall. Das Gas reichte nicht. Eisenbahnschienen wurden bombardiert. Das war es, was Eichmann am Krieg am meisten hasste – unkalkulierbare »Unsicherheitsfaktoren«, die seine Pläne störten.
    Während des Prozesses berichtete er unbeteiligt und ohne eine Miene zu verziehen von diesen Komplikationen. Sein Erinnerungsvermögen war ausgezeichnet. Offenbar setzte sich sein Leben ausschließlich aus Fakten und Einzelheiten zusammen.
    Um zehn höre ich auf zu lesen, putze mir die Zähne und wasche mir das Gesicht. Ich schließe die Lüftungsklappe, damit das Feuer in der Nacht von allein ausgeht. Das Feuer taucht das Zimmer in ein orangerotes Licht. Es ist warm, und die wohlige Atmosphäre löst meine Anspannung und Angst. Nur in T-Shirt und Boxershorts krieche ich in den Schlafsack, und anders als in der Nacht zuvor fallen mir ganz von selbst die Augen zu. Ich denke noch kurz an Sakura.
    »Es wäre schön, wenn ich deine richtige Schwester wäre«, hat sie gesagt. Doch ich will nicht weiter an sie denken. Ich muss schlafen. Das Feuer im Ofen geht aus. Eine Eule schreit. Und ich werde in ein Gewirr von Träumen gezogen.
    Am nächsten Tag wiederholt sich in etwa das Gleiche. Gegen sechs weckt mich lebhaftes Vogelgezwitscher. Ich gieße Tee auf, mache Frühstück und esse. Danach lese ich wieder auf der Veranda, höre Musik und gehe zum Bach, um Wasser zu holen. Abermals mache ich mich auf den Weg in den Wald. Heute nehme ich meinen Kompass mit, werfe hin und wieder einen Blick darauf, um die Richtung festzuhalten, in der die Hütte liegt. Mit einem Beil, das ich im Geräteschuppen gefunden habe, bringe ich einfache Zeichen an Bäumen an und hacke etwas von dem dichten Unterholz weg, um den Pfad leichter erkennbar zu machen.
    Wie am Tag zuvor ist der Wald tief und dunkel. Wie eine Mauer umgeben mich die hoch aufragenden Bäume. Dunkle Schemen lauern zwischen ihnen wie Tiere in einem Trugbild und beobachten mein Tun. Aber das heftige Panikgefühl, das mir am Tag zuvor Schauer über die Haut gejagt hat, ist

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