Kahlschlag (German Edition)
ja, so war es ja auch.«
»Der Säugling.«
»Genau. Aber vielleicht noch was anderes, Ähnliches. Etwas, wo Pete wusste, wer es getan hatte oder zumindest einen Verdacht hatte.«
»Hätten Sie das nicht mitbekommen?«
»Pete hat mir nicht viel erzählt. Jedenfalls habe ich nachgesehen, ob schon mal so was Ähnliches vorgekommen ist, aber ich habe nichts gefunden. Was ich sagen will: Pete hat alles sehr sorgfältig festgehalten, was mit seiner Arbeit als Constable zusammenhing. Zu fast allem findet sich eine Notiz. Die meisten sind nur kurz, und er hat sie nur gemacht, um zu wissen, worum es ging, damit er sich später besser erinnern konnte. Bei einigen Sachen kapiere ich nicht, wovon er redet.«
»Sunset, glauben Sie, dass ein Mensch noch mal von vorn anfangen kann?«
»Was meinst du damit?«
»Sie wissen schon, dass man sein Leben ändert. Sich vielleicht was Besseres aufbaut.«
»Na ja, jetzt hast du ja erst mal diese Arbeit. Ist doch besser als die Sägemühle, oder?«
»Ich meine von Grund auf. Ein anderer Mensch wird.«
»Das hoffe ich doch. Ja. Ich glaube schon. Clyde, du musst wirklich bei einem Wahnsinnsfeuer gewesen sein. Mir tränen schon die Augen.«
»Was ist?«
»Ich sagte, du riechst wie ein Lagerfeuer.«
»Ich riech so, weil ich mein Haus abgefackelt hab.«
Sunset fiel die Kinnlade herunter. Nachdem sie den Mund wieder zubekam, sagte sie: »Um Gottes Willen. Wie ist das denn passiert?«
»Ich hab ein Streichholz drangehalten.«
»Du?«
»Ja, ich.«
»Mit Absicht?«
»Mit voller Absicht.«
»Wo kommt Hillbilly jetzt unter?«
Die Frage war wie ein Stachel in seinem Herz. »Keine Ahnung. Bei mir jedenfalls nicht. Verdammt, ist mir auch egal, wo er bleibt.«
Sunsets Gesicht verdüsterte sich. »Hast du Ärger mit Hillbilly?«
»Nur ein bisschen.«
Ben bellte, und schon schob Hillbilly eins der herabhängenden Laken zur Seite. Sunset sah zu ihm hoch, und Clyde bemerkte, dass ihr Gesicht sich erhellte, wie eine Kerosinlampe ein dunkles, fensterloses Haus erhellt.
»Clyde hat sein Haus niedergebrannt«, sagte sie. »Vorsätzlich.«
»Ja«, entgegnete Hillbilly. »Hab ich schon gehört.«
Karen schlüpfte ins Büro und stellte sich neben Hillbilly. »Was hat er gemacht?«, fragte sie.
Sunset wiederholte, was sie gesagt hatte.
»Clyde, wieso machst du so was?«, fragte Karen.
»Ich fang noch mal von vorn an, Kleines. Außerdem wollte ich die Ratten ausräuchern.«
»Wie lustig«, entgegnete Karen mit breitem Lächeln. »Du brennst das ganze Haus nieder, um die Ratten loszuwerden.«
Clyde sah, wie Sunset Karens lächelndes Gesicht betrachtete, und dachte, nein, diese Rattengeschichte ist wirklich nicht so lustig. Und so breit hat sie seit dem Tod ihres Daddys nicht mehr gelächelt. Das weiß ich, Kleines, und du weißt das auch. Und ich glaube, ich kenne den Grund, und auch wenn es großartig ist, dass sie so glücklich aussieht, und ich weiß, sie möchte glücklich sein, schon ihrer Mutter zuliebe, dann ist sie, wenn ich recht habe, aus dem verkehrten Grund glücklich. Schließlich ist sie noch ein Kind, und Hillbilly, der ist ein beschissener Lügner. Schöne große rothaarige Frau, hast du auch nur den geringsten Verdacht? Den Hauch einer Ahnung?
Natürlich nicht. Was den Hurensohn angeht, bist du genauso blind wie Karen. Mann, ich kann die Hitze ja richtig riechen, die ihr beide verströmt, und alles wegen ihm. Heiß, feucht und willig, und dabei stehe ich hier und begehre dich, liebe dich, aber du nimmst mich nicht mal wahr.
Und vielleicht bilde ich mir das ja auch alles nur ein. Vielleicht läuft da ja gar nichts zwischen Karen und ihm, außer dass er vielleicht so etwas wie ein Daddy für sie ist, und sie waren einfach nur im Wald spazieren, und mehr ist da gar nicht. Vielleicht bin ich eifersüchtig auf dich und Hillbilly, auf das, was du für ihn empfindest. Ja, das könnte schon auch eine Rolle spielen.
Verdammt, natürlich tut es das.
KAPITEL 14
Der Lastwagen rumpelte die Straße entlang und spuckte von Zeit zur Zeit schwarzen Rauch aus. Die Motorhaube, die mit Ballendraht befestigt war, klapperte, und der Wagen neigte sich zu der Seite, auf der die Stoßdämpfer kaputt waren. Auf der Ladefläche, deren Seitenwände aus hohen Brettern bestanden, saßen fünf Männer, drei Frauen und ein Kind, ein etwa dreizehnjähriger Junge. Der Fahrer war ein rotgesichtiger Mann, dem eine Zigarre zwischen den Zähnen hervorwuchs. Der Beifahrersitz war leer, und der
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