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Kairos (German Edition)

Kairos (German Edition)

Titel: Kairos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gallo
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schien zu dick für Jacks nicht mehr ganz scharfe Zähne; der Hund versuchte es dennoch weiter. Zwei bewaffnete Männer der Hubschrauberbesatzung liefen ihrem Kommandanten entgegen und zielten auf Jack. Der Offizier signalisierte den Männern, sie sollten zum Hubschrauber laufen. Sie taten es widerwillig, legten immer wieder auf den vor Zorn rasenden Jack an. Joshua schrie. Er wußte nicht, ob er die Bewaffneten anschreien sollte, ihre Gewehre wegzulegen, den Mann, der ihn trug, er mochte ihn herunterlassen, oder Jack, daß er aufhören sollte, den Mann zu attackieren. Also schrie er irgend etwas. Niemand hörte auf ihn.
    Sie erreichten den Seiteneinstieg. Der Soldat packte Joshua und warf ihn in den Innenraum des Hubschraubers. Jack griff ein weiteres Mal an, schnappte diesmal nach der rechten Hand des Offiziers, der sich losriß, seine Handfeuerwaffe zog und den Knauf über Jacks Schädel drisch. Der Hund brach zusammen. Joshua schrie immer weiter. Die beiden Bewaffneten sprangen an Bord, zuletzt der Offizier. Er drängte Joshua weg vom Einstieg. Unten, auf dem Feld, lag reglos Jack. Seine Beine standen in alle Richtungen, und die lange, rosa Zunge hing schlaff heraus. Joshua wußte nicht, ob er tot war. Aber es fühlte sich an, als wäre er es. So oder so hatte er seinen besten Freund verloren.
    William weinte. Er hörte die Hubschrauber davonfliegen. Nach einer Weile atmete er tief durch. Er begann, mit den Fingern durch Martas Haar zu streichen. Alles war am Ende: Die Erde wurde angegriffen. Seine Frau lag tot in seinen Armen. Er hatte Joshua verloren; er hatte den Jungen getäuscht, aber zu seinem eigenen Nutzen. Joshua würde es niemals verstehen, fürchtete er, und er selbst verstand es auch nicht. Wie in den Wind sagte er: „Geh mit ihm, kleiner Mann. Ich hoffe, du verstehst das eines Tages. Ich hoffe es.“
    Draußen geriet der Helikopter mit seinem Enkel an Bord leicht ins Schaukeln und hob dann vom Boden ab. Leicht nach vorn geneigt sauste die Maschine über ein Feld aufgereihter Heuballen hinweg, stieg auf und entfernte sich Richtung der Silos der Kilgallon-Farm. Seine Rotorblätter funkelten im Licht der tiefstehenden Sonne.
    William schloß die Augen. Es war Zeit. Der Wandtresor in seinem Arbeitszimmer, hinter dem ausgestopften Eberkopf ... seine alte Browning-9-mm-Automatik mit eingebautem Schalldämpfer. Will wußte, was zu tun blieb. Alle anderen Karten waren gespielt. Die Ereignisse hatten ihm diesen Schritt diktiert; er billigte es.
    Er würde sich ihrer Zwangsläufigkeit nicht verstellen und nicht mehr am Leben sein, wenn die Shumgona einträfen.
    Er lächelte traurig, löste die beiden Elfenbeinspangen aus Martas Haar und lockerte ihre Frisur. Sie war wunderschön. Er küßte ihre Stirn. Dann stand er auf, bettete ihre Leiche sanft auf dem Boden und tat die letzten Schritte seines Lebens. Er fühlte sich träge, betäubt, aber gedanklich auch völlig klar. Durch das Fenster im Flur sah er Rauchsäulen im Norden und Westen aufsteigen. Auf der Wiese vor dem Haus lag Jack, augenscheinlich tot.
    Angst vor dem Sterben hatte er nie gehabt. Er würde jetzt nicht damit anfangen.
    Minuten später war es vorbei. William Swan, auf dem nach Leinöl duftendem Holzboden liegend und noch im Tod an seine Frau geschmiegt, war hinübergegangen.
    Zum ersten Mal seit langer Zeit war es still im alten Haus.

40
    Das Coliseum, Heimstatt der Campus-Equipe, war vorletzten Sommer nach fast zweijähriger Bauzeit eröffnet worden. Mit seiner polierten Holzausstattung und dem dynamischen Dach war die Halle innen wie außen beeindruckend. Das Gebäude verfügte über zwei Basketballfelder, ein Schwimmbad, Umkleideräume, zahlreiche Toiletten und eine Leichtathletikhalle. Dieses Gebäude war ein Tempel und die prunkvolle Pokalvitrine im Foyer der Altar.
    Nazma betrat die Vorhalle des Sportkomplexes durch offenstehende gläserne Schwingtüren. Um sie herum herrschte dichtes Gedränge. Sie wählte die Richtung, in die sie strebte, nicht selbst – sie wurde von der Menge einfach vorangeschoben. Einfach weitergehen war alles, was ihr blieb.
    Sie passierte unbesetzte Kassenschalter. Dann die Fahrstühle und das Treppenhaus mit der Sprinkleranlage und den Kugellampen ander Decke.
    Nazma sah eine der insgesamt vier offenstehenden Brandschutztüren vor sich aufragen und davor eine ins Stocken geratene Menschenballung. Studenten, Professoren, Universitätsangestellte und andere Leute waren in einem Pulk zum Stehen gekommen. Es ging

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