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Kairos (German Edition)

Kairos (German Edition)

Titel: Kairos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gallo
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zurückzubleiben, dann lief er auf Joshua zu. Der Junge sah die Dienstjahresstreifen auf dessen Ärmeln. „Alles in Ordnung? Wo sind deine Leute?“
    Er wirkte wie benommen. Vage deutete er hinter sich. „Mein Grandpa ist da. Und...“ Er brach ab. Er wußte nicht, was er sagen sollte.
    „Schon in Ordnung. Ich gehe und hole ihn.“
    Er lief am bellenden Jack vorbei in die Diele. Als er William fand, erfaßte er die Situation sofort. Er ging neben Marta Swan auf die Knie und zog seine Handschuhe aus und suchte nach Martas Puls.
    William beobachtete ihn aufmerksam. „Ich weiß, daß sie tot ist“, sagte er. „Und auch, daß Sie sie nicht wieder zurückholen können.“ Seine Stimme wurde fest. „Hören Sie, alles, was ich will, ist, daß Sie den Jungen hier wegbringen.“
    Der Offizier erhob sich. „Und Sie?“
    „Ich bleibe hier.“ Er sah auf Martas Gesicht. „Bei meiner Frau.“ Entschlossenheit stach aus seinem Blick. „Und nichts und niemand wird mich davon abhalten können, also schlage ich vor, Sie schnappen sich den Jungen und verschwinden.“
    Dem Soldaten war nicht an Diskussionen gelegen. Er wollte so schnell wie möglich an Bord des Hubschraubers gehen und gen Süden starten. Er nickte knapp. „Wie Sie wollen.“
    Der Mann sprach im breitsilbrigen Akzent der englischen Midlands. „Wie ist Ihr Name?“
    „Leutnant McCoy. 11tes Hubschraubergeschwader der 512ten Luftwaffendivision, Fort Williams.“
    William nickte. „Ich werde mich an Sie als den Mann erinnern, dem ich meinen Jungen anvertraut habe.“
    McCoy sah ihn an.
    William sagte: „Er ist das Letzte auf Erden, das noch einen Wert für mich hat.“
    McCoy antwortete mit zusammengepreßten Lippen: „Ich verstehe.“
    William nickte. „Gehen Sie jetzt. Greifen Sie ihn sich einfach, so wird es am leichtesten für ihn sein.“
    Der Turbinen- und Propellerlärm schwoll an, als die Hubschrauber wieder abhoben. William hörte Jack bellen, aber der Lärm draußen schluckte es fast ganz.
    McCoy fuhr herum und lief ein paar Schritte, ehe er sich noch einmal umdrehte. „Wie heißt er?“
    „Sein Name ist Joshua Swan, und er ist aus dem besten Holz geschnitzt.“
    McCoys Lippen bewegten sich, aber für William war es nur ein Murmeln, was McCoy äußerte, und William verstand kein Wort. Vielleicht sagte er den Namen des Jungen auf.
    „Passen Sie auf sich auf! Die Shumgona kommen von überall!“, rief McCoy.
    William sagte stumm ›Ja‹. Er sah den Offizier hinausstürmen. Er war allein. Allein mit Marta.
    Draußen ging es hektisch zu. Unter den in großer Zahl rasch aufsteigenden Hubschraubern mit Hunderten Menschen an Bord stand ein zutiefst verstörter kleiner Junge auf dem Feld, neben ihm ein ausgewachsener Border Collie, der vor Streß in einem fort hechelte. Joshua sah den Helikoptern nach, zugleich er immer wieder in Richtung offenstehender Haustür blickte, als ob er – er wußte auch nicht – irgend etwas erwartete, einen hinausstürmenden Soldat mit Grandma auf den Armen, vielleicht, und einem sich sorgenden William, der ihm dichtauf folgte. Der Soldat kam allein aus dem Haus. Sein Gesichtsausdruck war undeutbar. Joshua lief auf ihn zu. Als er sich an ihm vorbeidrängen wollte, um über die Schwelle der Haustür zu treten, versperrte der Soldat ihm den Weg. Ehe Joshua begriff, was vorging, griffen ihn zwei starke Hände, hoben ihn hoch und trugen ihn fort. Joshua schrie, strampelte. Er verstand überhaupt nichts. Jack sprang bellend um sie herum. Der Soldat trat nach ihm. Jack wurde nur wilder. Er bleckte die Zähne. Der Mann, einen sich aus Leibeskräften wehrenden Joshua auf der Schulter, verfiel in einen Laufschritt. Joshua trat aus, boxte dem Mann gegen den Rücken. Der Soldat sagte: „Beruhige dich doch, Junge. Dein Grandpa will es so. Es gibt keine andere Möglichkeit – du mußt hier weg!“
    „Nein! Runterlassen!“
    „Tut mir leid“, murmelte der Soldat und lief weiter.
    Zwanzig Schritte vor dem mit drehenden Rotoren wartenden Hubschrauber griff Jack den Soldat an. Er sprang ihn seitlich an, was den Mann taumeln und fast stolpern ließ. „Verdammter Hund“, zischte der Offizier.
    „Jack! Jack!“, schrie Joshua.
    (Geh mit ihm.)
    „Nein!“
    (Tu, was Will sagt.)
    Unbeschreibliche Angst kroch in ihm hoch. Die Angst übertrumpfte das vage Gefühl von Einkehr, das in ihm keimte. All seine Aufmerksamkeit galt Jack. Der biß dem Mann in das Bein, oder versuchte es jedenfalls. Der Kampfanzug aus verstärktem Nylongewebe

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