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Kairos (German Edition)

Kairos (German Edition)

Titel: Kairos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gallo
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andere Dinge – Bedeutenderes.“
    „Platitüden werden nicht besser, weil sie einem ernst sind“, entgegnete sie. Sofort tat ihr diese Grobheit leid. Sie sagte: „Sprich zu ihnen. Erzähl ihnen die Wahrheit. Laß ihnen wenigstens den Traum von der Zukunft.“
    Blätter raschelten, irgendwo brach ein Zweig. Berg schien nichts gehört zu haben; aber Monterrey sah auf. Etwas bewegte sich in der Dunkelheit. Ein Schatten glitt vorbei. Eine Kieferngruppe versperrte ihr die Sicht. Erneut bewegte sich etwas Dunkles in der Finsternis. Es war schwierig, Details auszumachen. Die Silhouette schien hünenhaft, dürr, mit großem Kopf. Doch sie war eindeutig menschlich. Monterrey schrie auf. Der Schatten zwischen den Bäumen erstarrte, schien langsam zu schwinden, ohne einen Laut oder eine Bewegung. Es mußte eine optische Täuschung gewesen sein, ein Trugbild, hervorgerufen durch die Dunkelheit und das Laternenlicht. Monterrey war dennoch tief beunruhigt.
    „Was ist in dich gefahren?“, fragte Berg. Er klang, als litte er Schmerzen. „Warum hast du geschrieen?“
    „Ich ... weiß es nicht. Ich dachte ... ein Schatten, der sich bewegt ... Ich weiß, es klingt verrückt, aber der Schatten schien irgendwie ... zu zerbrechen.“
    „Was sagst du da?“
    „Ich weiß genau, was ich gesehen habe, aber ... jetzt es ist weg.“
    „Niemand kann unbemerkt auf dieses Gelände eindringen. Denk an die Bewegungsmelder.“
    Sie starrte in das Halbdunkel. Gruppen von weißen Baumstämmen – Birken – wuchsen aus vorstehenden Wurzelballungen. Nachtleuchten säumten einen Steinpfad zwischen dunklen Mooskissen. Auf einmal sah Monterrey in dem stillen Garten keinen Ort des Lebendigen mehr, sondern des Verfalls. Sie blickte flüchtig hinauf. Dort oben war jetzt ein Stück Weltraum zwischen den Wolken zu sehen, ein Ausschnitt gnadenloser Schwärze, perforiert durch ein paar Sterne, von denen sie annahm, es wäre der Oriongürtel. Sie stand hastig auf, zog Berg mit sich hoch. Der ächzte und hielt sich den Kopf. „Komm, Liebling-Präsident“, sagte sie. „Es wird allmählich kühl hier draußen.“ Sie sah ihn angestrengt Blinzeln.
    „Hast du das gehört? Die Musik?“
    „Welche Musik?“
    „Wie Orgeln. Jetzt ist es weg.“ Er kniff die Augen zusammen. „Mein Schädel bringt mich noch um.“
    Sie ging schneller, zog ihn mit. „Komm. Zeit, dir ein Aspirin zu besorgen.“

23
    „De Saux! Sie haben es geschafft.“ Rufus Bals war in Lyon eingetroffen. Jetzt stand er in BAU 13, einer gigantischen Montagehalle auf dem Gelände der ehemaligen französischen Weltraumbehörde CNES. Vor ihm, über dem Hangarboden, schwebte das Sternenschiff der Som´ai. Lichtquader aus den vielen Fenstern der Dachkonstruktion tauchten es in Helligkeit. Die Konstellationen auf seiner Hülle bewegten sich glitzernd. Bals trat einen Schritt zurück, führte eine Hand an die Stirn. „Vor allen Dingen ist es fremdartig.“
    „Es ist vollkommen“, hatte Alain in der Pyramide gesagt, vor dem Schiff stehend, wie ein Kommunionsschüler vor dem Altar. Er umrundete es im Eilschritt. „Eiko, wir sollten ... Wir müssen...“ Er brach überwältigt ab. Er wußte nicht weiter.
    Eiko näherte ihre Hand behutsam der Oberfläche. „Wie sollen wir hineinkommen?“
    „Das zeigt sich noch. Ich bin sicher“, rief Alain ihr zu.
    „Eiko, Alain...“, hatte Doria angehoben.
    „Was ist?“, hatte Eiko schroff gefragt, ohne ihren Blick von dem Schiff zu nehmen.
    „Ich finde, das sollten Sie sehen.“
    Eiko tauschte mit Alain einen flüchtigen, erwägenden Blick. Sie kamen überein, daß es ihnen mißfiel, in Dorias Nähe zu sein. Aber dann gingen sie doch hin. Teils, weil Dorias Stimme verglichen zu dem despektierlichen Ton, den sie sonst pflegte, ernst und ruhig klang, teils, weil dieser Ort, dessen durchdringende, die Dinge neu ordnende Aura ihren Groll auf Doria wenigstens solange dämpfte, wie es brauchte, um ihre von Galdea übertragene Mission zu erfüllen.
    „Was sehen?“, fragte Alain.
    „Stellen Sie sich hierher. Und jetzt müssen Sie hochschauen.“
    Alain hatte geschaut – und einen blauen Kreis gesehen. Sein Blick verlor sich in einer bodenlosen Tiefe, über die bald wellenartige Bewegungen rollten. Dann entstand eine kreisrunde Öffnung, umgeben von einem ringförmigen, leuchtenden Wulst. Eswar, entschied Alain in Ermangelung eines Besseren, eine Art von Irisblendenluke, die sich soeben über ihren Köpfen öffnete.
    „Nun?“, fragte Doria.
    „Als

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