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Kaiser des Mars

Kaiser des Mars

Titel: Kaiser des Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lin Carter
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die Angst, die uns umfaßt hielten, auf.
    Es war, als hätten wir die Zone einer fremden Macht durchquert und befänden uns wieder im Freien.
    Und dann zügelten wir unsere Tiere und hielten erstaunt an.
    Und da lag es vor uns … Ilionis!
    Wir starrten lange hin, stumm und ohne Worte.
    Oh, sie war alt, jene Stadt; alt und tot. Äonen, länger, als der Mensch sie zählen kann, hatten sie in den Staub getrampelt. Die einst stolzen Mauern waren zerbrochen. Die Häuser und Villen waren leer – schwarze Fenster glotzten uns an wie die Augenhöhlen leerer Schädel. Der Sand war Staubkorn um Staubkorn in die stummen Straßen getrieben worden, bis sie mit Staub überzogen waren.
    Das vergessene, als Ruine daliegende Ilionis bestand ganz aus rotem Marmor, und die Jahrhunderte hatten jenen roten Stein zersplittern lassen. Die zerbrochenen Türme lagen gespenstisch vor uns im düsteren Licht des sterbenden Tages. Vielleicht hatte seit Millionen von Jahren kein lebendes Auge mehr Ilionis gesehen.
    »Eine rosarote Stadt, halb so alt wie die Zeit selbst …«
    Diese Zeile aus dem alten Gedicht drängte sich mir plötzlich aus meiner Erinnerung auf. Der Dichter hatte jene unsterblichen Worte Petra gewidmet. Aber diese düstere, rote Stadt war tausendmal älter.
    Einst war sie die Königsstadt eines mächtigen Reiches gewesen und das Zentrum des alten Glaubens; Tor zu den Göttern hieß sie in den alten Epen. Jetzt war sie tot, leer, verlassen, nur ein Gespenst ihres verschwundenen Glanzes harrte noch unter den dahinjagenden Monden.
    Ernst und stumm ritten wir zu den Mauern von Ilionis.
    Und dann war die lange Suche zu Ende. Dachten wir.
    Wir konnten nicht ahnen, daß eine noch viel fremdartigere Suche jetzt begonnen hatte!
     

 
11. Tor zu den Göttern
     
    Die Torpylonen von Ilionis standen immer noch, von der Zeit nicht zum Wanken gebracht. Zwei und zwei ritten wir zwischen ihnen hindurch, auf das, was einmal ein breiter Prachtboulevard gewesen war. Aber die Jahrhunderte hatten hier wie die Vandalen gehaust, und die Pflastersteine waren gesprungen und verschoben, einige halb im gnadenlosen, gelben, staubfeinen Sand halb ertränkt. Neben mir schauderte Ilsa. Ihr Gesicht war bleich.
    »Wie schrecklich traurig«, flüsterte sie. »All die Majestät und Größe … dahin.«
    Ich nickte. »Die Zeit nagt an Städten«, sagte ich. »Wahrscheinlich mag sie nichts, das weniger von Dauer ist als Berge. Oder Sterne. Kennen Sie Frost?«
    »Wen?«
    »Amerikanischer Dichter, letztes Jahrhundert. Er hat all dies irgendwie geahnt, diese Feindschaft, die das Ewige für die Denkmäler des Menschen empfindet. Und dann hat er ein halbes Kapitel Philosophie in einen Satz gedrängt …«
    Ihr Gesicht wirkte lieblich in dem kalten Licht.
    »Ich weiß. Ich erinnere mich jetzt. ›Es gibt etwas, das Mauern nicht liebt‹.«
    Ich nickte. »Gerade, als hätte er Ilionis gesehen …«
    Vorsichtig ritten wir die zerfallene Straße hinunter. Die Dunkelheit sammelte sich schnell, zog ihren schwarzen Mantel über den Himmel. Das Gefühl unnatürlicher Spannung, das uns den ganzen Ritt begleitet hatte, hatte aufgehört, als wir das letzte Paar steinerner Giganten passiert hatten. Aber die schreckliche Zerstörung um uns, düster und uralt, einsam unter dem Glanz kalter Sterne war ernüchternd. Die Verlassenheit lastete wie ein schweres Gewicht auf uns.
    Im Schutze zerbröckelnder Mauern lagerten wir. Einst, vor Äonen, war das ein Palast oder ein Tempel gewesen. Jetzt war es ein Grab, ein Ruheplatz der toten Träume jener vergessenen Hände, die diese Mauern vor endlosen Zeiten errichtet hatten.
    In Keresnys Gesicht stand Enttäuschung. Er blickte um sich, richtete den Lichtkegel seiner Bronston-Lampe auf Schuttberge, gefallene Säulen, behauene Türstöcke, die nirgendwohin führten.
    »Selbst die Inschriften sind zu abgewetzt, als daß sie noch lesbar wären«, sagte er. »Irgendwie hatte ich mehr erwartet. Ich weiß nicht, was. Nicht eine bewohnte Stadt wie Farad, aber … etwas .«
    Ich glaube, ich begriff seine Stimmung und die Enttäuschung, die hinter seinen Worten lauerte. Denn Ilionis war nicht nur tot: nein, der Geist und die Stimmung der Ruinen waren ausgelöscht. Nicht einmal Geister hausten in dieser schrecklichen Verlassenheit. Es war wie das Ende aller Hoffnungen – die Ruinen eines vergessenen Traums.
     
    Wenigstens schliefen wir diese Nacht tief, und es gab keine schattenhaften Schrecken, die unseren Schlummer heimsuchten. Auch die Slidars

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