Kaiser Trajan als Bauherr
hielt ihn freilich nicht davon ab, der eigenen Selbsteinschätzung und deren Legitimation so deutlich Ausdruck zu geben, dass niemand von seinem Macht- und Selbstbewusstsein überrascht zu sein brauchte. Beispielhaft zeigt dies die Form seiner offiziellen Proklamation durch den Senat, der sich hierfür gemeinsam mit dem Volk Roms auf dem Kapitol versammelte, während Trajan dort im Tempel des Iuppiter Optimus Maximus Einzug hielt
( Plinius d. J., Panegyricus 5.3 – 4 )
. Nichts konnte die unvergleichliche Bedeutung dieses Ereignisses deutlicher unterstreichen als dessen Vollzug im Heiligtum der für Rom und seine Bürger höchsten göttlichen Instanz. Zwar blieben dabei die Rechtsposition des Senats und dessen Zuständigkeit formal gewahrt, doch konnte durch den Tagungsort auf dem Kapitol dem dort vollzogenen Vorgang |17| ein Sinnbezug unterlegt werden, der dieser Proklamation zugleich einen anderen und deutlich überhöhten Stellenwert zuschrieb. Schließlich war noch keinem Kaiser zuvor die Herrschaft vom Senat im Heiligtum des höchsten aller Götter übertragen worden. Deshalb dürften für Trajan der Ort und die Form seiner Proklamation nicht nur eine besondere Auszeichnung gewesen sein, sondern zugleich in einer feinsinnigen Anspielung ein Hinweis darauf, dass diese Übergabe und Übernahme der Macht ihre Anerkennung im Beisein Jupiters und damit durch den höchsten Staatsgott Roms selbst erfahren hat. Falls solche Vorgänge und damit zum Ausdruck gebrachte Ansprüche in Rom nicht nur Beifall gefunden haben, konnte man sich unbestreitbar und getrost darauf berufen, dass schon Nerva die Adoption Trajans auf dem Kapitol nach Beratung mit den Göttern und nach göttlichem Ratschluss verkündet hatte. Schon deshalb scheint gerade dieser Ort für die Proklamation durch den Senat in besonderer Weise prädestiniert gewesen zu sein. Außerdem gab dies Trajan und seiner nicht ganz unproblematischen Herkunft nicht zuletzt eine Legitimation, die weder zu bezweifeln noch zu übertreffen war. Im Bewusstsein dieses Procederes verfügte Trajan jetzt nicht nur über eine ihm durch den Senat, dem rechtmäßig zuständigen Organ der
res publica
, gleichsam zu treuen Händen übergebene Funktion, sondern vor allem auch über eine ihm von Jupiter übertragene Macht.
Zwar war dieser Vorgang zuerst für den bis zum Kaiser Roms aufgestiegenen Trajan eine ganz besondere und sehr persönliche Auszeichnung, doch signalisierte er zugleich einen Wandel von grundsätzlicher Bedeutung: Auch wenn eine solche Inszenierung zuerst die Legitimation der Adoption Trajans unterstützte, entsprach deren Inhalt zugleich einer Propaganda, durch die an anderer Stelle und gewiss nicht zufällig in einem breit dargelegten Hinweis betont wurde
( Pli
nius
d. J., Panegyricus 6.7 – 8.1
), dass es für den Staat keineswegs gut sein müsse, wenn die Herrschaft vom Vater auf den Sohn übergehe oder der Herrschaftswandel nur durch eine verwandtschaftliche Verbindung begründet und abhängig bliebe. Dem jüngeren Plinius gab seine Lob- und Dankesrede, die er vor dem Senat und somit vor den alten und durchaus selbstbewussten Eliten Roms hielt, offenbar die ausführlich genutzte Gelegenheit, ein Plädoyer vorzutragen über die Vorzüge einer Adoption durch einen guten Regenten, der mit diesem Akt zum Wohle Roms mit Sachkunde und Verantwortung seine Nachfolge regelt. Unausgesprochen, aber deshalb nicht weniger deutlich, folgte Plinius mit der dabei erläuterten und ebenso grundsätzlichen wie ideologisch motivierten Begründung für ein Adoptivkaisertum einem durchaus aktuell gewordenen Thema |18| zur Staatsführung Roms. Dass dies mit einem damals in der Frage der Herrschernachfolge ohnehin vollzogenen Wandel übereinging, der von familiären Bindungen und Blutsverwandtschaften zu Adoptionen führte, muss kein Zufall gewesen sein: Schließlich hatte Rom mit Nero oder auch Domitian und damit mit einem System, das einer verwandtschaftlichen Bindung mehr Gewicht einräumte als einer besseren Qualifikation, keine besonders guten Erfahrungen gemacht. Dies begründet das Lob für die durch die Adoption Trajans erwiesene Weitsicht Nervas und ebenso den weit ausholenden Einschub zum grundsätzlichen Vorzug einer Adoption. Deshalb empfiehlt Plinius den römischen Kaisern auch über diesen Akt mit der Adoption Trajans durch Nerva hinaus, ihre Nachfolge nicht dem Zufall einer familiären Erbfolge zu überlassen, sondern zum Wohle Roms selbst mit der Adoption
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