Kaiserkrieger 2: Der Verrat
fortzuwerfen, sondern es als eine Aufforderung an sich selbst zu sehen, etwas daraus zu machen.
Volkert hatte sich wieder im Griff. Er fühlte seine Liebe für Julia mit neuer, nahezu vergessener Intensität. Sehnsucht und Hoffnung, ja selbst die darauf folgenden kurzen Anfälle von Resignation, empfand er als nahezu erfrischend, anspornend. Die Zuversicht, die er fühlte, übertrug sich auf die Art und Weise, wie er seinen Dienst erfüllte. Dass er die Gewissheit, dieser Feldzug würde erfolgreich sein, aus seinen historischen Kenntnissen bezog, änderte nichts daran, dass der unerschütterliche Glaube an einen Sieg, den er in jedem Gespräch zum Ausdruck brachte, ihn bald zu einem gern gesehenen Gast an den Lagerfeuern machte.
Diese Zuversicht änderte wenig daran, dass die Rede des Theodosius alles andere als anfeuernd war. Die endlose Aneinanderreihung von Plattitüden an ein generell wenig motiviertes, müdes und teilweise immer noch unerfahrenes Heer hatte keinen sichtbaren Effekt und die verordneten Jubelschreie nach Beendigung des Vortrages klangen schwach und wenig überzeugt. Gerade jene der neuen Rekruten wie Volkert, die aufgrund der erlebten Kämpfe bereits so etwas Ähnliches wie »richtige« Legionäre waren, konnten den hehren und doch so inhaltsleeren Worten des Feldherrn herzlich wenig abgewinnen.
Als ihnen erlaubt wurde, die Formation aufzulösen, trottete Volkert zusammen mit seinen Kameraden zu ihrem Teil des Feldlagers zurück. Er war erst morgen für den Wachdienst eingeplant, sodass er im Grunde den Rest des Tages freihatte. Die nasse Kälte des nun in voller Stärke hereingebrochenen Winters sowie Auswirkungen, die das vor allem auf den nächtlichen Schlaf hatte, führte jedoch dazu, dass alle erschöpft, durchgefroren und lustlos waren. Die Kleidung wurde nicht richtig trocken, alles lag klamm am Körper und Erkältungen begannen, um sich zu greifen. Die Stimmung war nicht gut. Vereinzelt klangen Unterhaltungen auf, ein paar Legionäre vertrieben sich die Zeit mit Glücksspielen, zwei offenbar musisch begabte Soldaten hatten an einem Feuer damit begonnen, Publikum um sich zu scharen und sehr traurig klingende Lieder zum Besten zu geben. Die ganze Atmosphäre im Feldlager wirkte eher bedrückt und das lag sicher nicht nur an der wenig inspirierenden Rede des neuen Feldherrn. Die Aussicht, bei diesen Witterungsbedingungen barbarischen Invasoren entgegentreten zu müssen, erfreute niemanden, und selbst die Veteranen unter ihnen zeigten eine eher grimmige Miene.
Just als sich Volkert an das wärmende Feuer setzen wollte, trat ein Tribun an ihn heran. Der Offizier hieß Vicinius und war offenbar für die neuen Rekruten verantwortlich. Ein älterer Zenturio begleitete ihn, auch dieser Mann war Volkert bekannt. Es war der Tesserarius und entsprach daher in etwa dem, was Volkert zu seiner Zeit als »Spieß« bekannt war. Wortlos setzten sich die Männer neben Volkert und hielt die ausgestreckten Handflächen in Richtung der Flammen. Der Tribun räusperte sich. Das Licht des Feuers flackerte in seinem hart gezeichneten Gesicht, dessen tiefe Falten von einem Mann zeugten, der zu schnell und zu früh gealtert war.
»Hast du den Tod deines Kameraden mittlerweile einigermaßen verkraftet?«, fragte Vicinius schließlich leise. Volkert, etwas überrascht über die ungewohnte Anteilnahme, nickte zögerlich. Er wusste nicht, ob diese Antwort überhaupt zutreffend war, aber sie erschien ihm passend. Aber es hatte sich wohl so einiges im Lager herumgesprochen.
»Gut«, meinte der Tribun und es klang fast so, als sei er froh, dieses Thema nicht weiter behandeln zu müssen. »Ich habe dich beobachtet, Volkert, und ich habe gehört, dass du über einige interessante Fähigkeiten verfügst. Deine Aktion im Kampf gegen die Sarmaten war ungewöhnlich, aber du hast das Richtige getan und deinen Kameraden das Leben gerettet.«
»Ich bin nur ein einfacher Rekrut«, erwiderte Volkert höflich.
Vicinius winkte ab.
»Jaja, lassen wir das Geplänkel. Du bist gepresst worden und hast dich trotzdem bewährt. Viele lassen sich hängen und manche deiner Kameraden haben unser gemeinsames Erlebnis mit den Sarmaten nicht gut verkraftet. Sie sind voller Angst.«
»Ich bin nicht furchtlos.«
»Furchtlos oder nicht, ich habe den Eindruck, dass du führen kannst.«
Volkert nickte. Was hätte er auch sagen sollen? Sein Hasardeurstück war allgemein bekannt und er konnte kaum für sich in Anspruch nehmen, plötzlich
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