Kaiserkrieger 2: Der Verrat
zu verstehen bereit war.
Doch so fremd ihm etwa auch die elaborierten und gigantischen Belagerungsmaschinen der römischen Armee waren, deren Kunst sein Volk niemals zu meistern imstande gewesen war, so wenig weckte der Blick auf die Kanonen der Saarbrücken irgendein Verständnis. Godegisel sah, aber er begriff nicht, so sehr er auch versuchte, sich auszumalen, was für eine letztlich militärische Bedeutung dieses Schiff haben mochte.
Als Bilimer seine Teigtasche verschlungen hatte und mit einem zufriedenen Grunzen seine wulstigen Lippen an seinem Ärmel sauber gewischt hatte, war dies für Godegisel das Zeichen zum Aufbruch. Ohne auf die sehnsüchtigen Blicke zu achten, die der fette Gefährte auf den Grill richtete, auf dem die Speisen brutzelten, zog er ihn wie ein kleines Kind durch die sich langsam auflösende Menge der Gaffenden in Richtung Herberge.
Es gab viel Neues zu bedenken. Er würde einen weiteren Boten entsenden müssen, solange man die Stadt noch verlassen konnte. Das würde seine kleine Streitmacht erneut verringern, aber das war nicht zu ändern.
Die Zeit drängte. Und er wusste nicht, was er Fritigern mehr berichten sollte als das, was er soeben erblickt hatte. Und von seinem Plan, der ihm mit einem Male wie wildes Hasardieren erschien.
Godegisel fühlte sich verwirrt und ratlos.
Er hasste es.
32
»Das ist interessant.«
»Es ist Lüge und Phantasterei!«
Fritigern sah Alarich an. Der alte Mann kaute auf seiner Unterlippe wie ein kleines Mädchen. Seit geraumer Zeit war der legendäre Anführer der Goten zunehmend gebrechlich und krank geworden, dennoch hörten noch viel zu viele auf ihn, sodass auch Fritigern, der die täglichen Entscheidungen zu treffen hatte, seinen Ratschluss nicht einfach so übergehen konnte. Alarich war ein Gote alten Schlages, wollte oder konnte so vieles von dem nicht verstehen, was er erlebte, und er war normalerweise leicht zu beeindrucken. Die Berichte aber, die erst Rechiar und dann ein weiterer von Godegisels Männern überbracht hatten, schienen ihn absolut nicht zu überzeugen.
»Godegisel ist kein Wichtigtuer«, erwiderte Fritigern. Der junge Adlige war sein Mann, er musste für ihn eintreten. Die Darlegungen des Spions hinter den Mauern Thessalonikis waren nicht so abenteuerlich, wie Alarich in seiner polternden Art meinte. Tatsächlich hatte sich der junge Mann darauf konzentriert, in sachlicher Sprache vorzutragen, was er erfahren hatte. Fritigern konnte sich keinen besseren Spionagebericht wünschen. Doch trotz aller Sachlichkeit lag der Kern des Problems in der Tatsache, dass Godegisel letztlich die Berichte der Überlebenden von Fastidas Haufen bestätigte. Es gab diese Wunderwaffen und ihre Wirkung war katastrophal. Und die Römer und ihre neuen Bundesgenossen planten etwas, eine Falle für die heranrückenden Goten. Fritigern hatte dabei ein durch und durch ungutes Gefühl und hätte den Angriff auf Thessaloniki am liebsten abgeblasen. Doch das lag bereits außerhalb seiner Macht. Gerüchte machten unter den Goten die Runde: dass es gotische Spione im Inneren der Stadt gäbe, die rechtzeitig die Tore öffnen würden. Dass die Römer mit dem Mut der Verzweiflung kämpften, aber hoffnungslos unterlegen seien. Dass Flavius Victor den Tod suche und dabei bereit sei, seine gesamten restlichen Truppen zu opfern, um wieder bei seinem Kaiser zu sein. Dass unheimliche Reichtümer in Thessaloniki angehäuft worden seien und dass die Römer deswegen so sehr daran interessiert wären, die Stadt zu verteidigen.
Natürlich würde Godegisel versuchen, ihnen zu helfen, aber Fritigern setzte darauf keine allzu großen Hoffnungen. Und die anderen Gerüchte waren eben das: Gerüchte. Viele davon wahrscheinlich von den Römern selbst in die Welt gesetzt, um die Goten anzulocken. Wenn das ihr Plan war, so war er gelungen: Fritigern konnte die zahlreichen Unterführer kaum unter Kontrolle halten. Nein, den Angriff abzubrechen, war sicher keine ernsthafte Option. Er musste das Beste aus der Situation machen und dazu gehörte es, den Kriegsrat davon zu überzeugen, dass Godegisels Warnungen ernst zu nehmen seien. Möglicherweise ließen sich Vorkehrungen treffen, die Katastrophe abzuwenden und damit die vollständige Niederlage, die Fritigern am Horizont dräuen sah, doch noch zu verhindern. Vielleicht sogar, mit etwas Glück und Gottes Hilfe, konnte die mögliche Niederlage in einen Sieg verwandelt werden.
Aber dafür mussten seine Leute auf ihn
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