Kaiserkrieger 2: Der Verrat
auf.
»Natürlich. Die Goten schleppen Frauen und Kinder mit sich, die Greise und die Kranken. Sie sind ein Volk auf Reisen. Das heißt nicht, dass ihre Krieger ihnen nicht vorauseilen würden, aber sie können sich nie so weit von ihnen entfernen, dass sie nicht rasch zu ihrem Schutze zurückkehren könnten. Das schränkt ihre Beweglichkeit deutlich ein. Wir sind keine 600 Mann und wir haben ein klares Ziel, das wir erreichen wollen. Nein, keine Sorge, Legat Becker. Wir werden deutlich vor ihnen in Thessaloniki sein und wir werden sie erwarten.«
Becker nickte. »Sie werden die Stadt nicht direkt angreifen.«
»Sicher nicht. Fritigern weiß, dass er gegen die Befestigungen nichts ausrichten kann. Es ist eine Provinzhauptstadt und als solche gut geschützt. Er wird die Schlacht außerhalb suchen.«
»Und wir werden sie ihm anbieten«, vervollständigte Becker den Gedankengang. »Es ist gut, dass die Boten die Via Egnetia entlang jetzt schneller kommen und wir einiges mehr mit Victor vorbereiten können, ehe wir eintreffen.«
»Victor wird noch zu überzeugen sein.«
Becker warf ihm einen fragenden Blick zu. »Ihr seid ihm übergeordnet, Arbogast.«
»Formal ja, aber de facto ist Victor der höchste überlebende Offizier des Ostens und mir damit gleichgestellt. Außerdem ist Theodosius auf dem Weg und wird in Kürze in Sirmium eintreffen, um von Gratian ernannt zu werden. Dann ist er der höchste Würdenträger im Osten.«
»Ehe Theodosius seine ersten Entscheidungen trifft, haben wir das Problem bereits gelöst.« Becker versuchte, betont zuversichtlich zu klingen, er war sich aber nicht sicher, ob er dieses Gefühl bei seinen immer noch begrenzten Sprachkenntnissen gut hatte vermitteln können. Er wurde mit jedem Tag besser, nicht zuletzt deswegen, weil die Offiziere der Begleittruppe ihm der Reihe nach jeden Abend Unterricht im Lateinischen wie auch Griechischen gaben. Dadurch, dass er gezwungen war, ständig in fremden Zungen zu sprechen, stürzte er sich in die Sprachen, wie ein Verdurstender sich ins Wasser warf. Auch die Infanteristen bemühten sich redlich, wenngleich mit sehr unterschiedlichem Erfolg. Eine Reihe der einfacheren Männer würde es nie über einen Kauderwelsch hinaus bringen, aber wenn das reichte, um in einer Taverne Cervisia zu bestellen, mit einer Hure den Preis zu verhandeln und zu verstehen, wenn ein römischer Trinkkumpan eine Runde geben wollte, dann würde das für diese Männer auch genügen.
Leider waren die Ansprüche, die an Becker gestellt wurden, ungleich höher. Und die Selbstverständlichkeit, mit der selbst Africanus von ihm erwartete, Latein zu lernen, ohne auch nur das geringste Interesse am Deutschen zu äußern, hatte ganz offenbar wenig mit Überheblichkeit, sondern schlicht mit dem grundsätzlichen Verständnis zu tun, dass die Sprache der Zivilisation eben Latein war – und mit etwas Abstrichen noch das Griechische, das sich durchaus großer Beliebtheit erfreute. Wenn sich Becker richtig erinnerte, dann war der einzige Einheimische, der je ernsthaftes Interesse an der deutschen Sprache gezeigt hatte, der Fischersohn Marcellus, der jetzt als besserer Ölaffe auf der Saarbrücken Dienst tat.
Es war vorherzusehen, dass das Deutsche hier nicht lange Bestand haben würde. Es würde aller Wahrscheinlichkeit nach zusammen mit der Besatzung der Saarbrücken aussterben, um dann in ferner Zukunft wieder neu zu erstehen. Becker betrachtete diese Tatsache mit nüchterner Überlegung. Er wusste aber, dass Kameraden wie von Klasewitz, waren sie sich über diese Konsequenzen erst im Klaren, da wahrscheinlich ganz anderer Ansicht sein würden.
Becker schob diese Gedanken beiseite. Über die kulturellen Konsequenzen ihres unerwarteten Auftauchens in der Vergangenheit konnte er später noch genügend nachdenken, wenn er die dafür notwendige Muße fand.
Wann immer das sein würde. Wahrscheinlich nicht in Thessaloniki.
»Halt!«, hörte er das Kommando voraus. Becker hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, nicht an der Spitze der Kolonne zu reiten. Er richtete sich im Sattel auf – was ohne Steigbügel ein eher schweres Unterfangen war – und erblickte einen der berittenen Kundschafter, die Arbogast in weiser Voraussicht ausgesandt hatte, erschöpft auf sie zureiten. Er zügelte sein Pferd, dessen Flanken vor Anstrengung zitterten.
»Ave, Heermeister«, grüßte der Soldat devot. »Titus Daecius, Herr.«
»Sprich, Titus!«, forderte Arbogast ihn unumwunden auf.
»Herr,
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