Kaiserkrieger 2: Der Verrat
wie es kommt, einer von uns beiden kommt der Heimat näher.«
»Das ist beruhigend«, murmelte Volkert. Sein Blick wanderte über die Abgrenzungen des Übungslagers hinweg zum eigentlichen Feldlager, in dem sie sich bisher aufgehalten hatten. Dort draußen irgendwo, in einem der Dörfer in der Nähe, vermutete er Julia. Bisher hatte sich noch keine Gelegenheit – vor allem keine Erlaubnis – ergeben, das Lager zu verlassen. Wenn Simodes recht hatte, und es würde gut zur angespannten Lage passen, dann würde sich diese Gelegenheit auch so bald nicht mehr ergeben. Hoffentlich hatte Julia Augen und Ohren offen, um mitzubekommen, wenn die Rekruten losmarschierten. Ansonsten würde er eines Tages verschwunden sein und seine Chancen, Julia jemals wiederzusehen, waren sehr gering.
Simodes schien den Sturm der Gefühle, der durch Volkert tobte, an dessen Gesicht erkennen zu können.
»Keine Sorge, mein Freund«, sagte er schließlich etwas unbeholfen. »Es wird nicht so schlimm werden. Gratian hat die Alemannen in ihre Schranken verwiesen, und wenn wir in den Osten gehen, dann wird es die Goten schon erwischt haben. Die Magier aus der Zukunft werden dafür sorgen.«
Volkerts Kopf ruckte hoch. »Die was?«
»Nicht davon gehört? Symmachus und die anderen heidnischen Senatoren haben sich versammelt und mithilfe ihrer Priester Magier aus der Zukunft herbeibeschworen, um das Reich vor den äußeren Gefahren zu retten und die Christen in ihre Schranken zu verweisen.«
Simodes lächelte entschuldigend. »Das erzählt man sich überall herum. Interessanterweise sind es Priester selbst, die das in die Welt setzen. Jedenfalls sind einige meiner Christenfreunde ganz schön sauer. Sie werfen dem Kaiser vor, zu weich zu sein und die Gefahr nicht zu erkennen.«
Volkert beherrschte sich mühsam. Es konnte für ihn keinen Zweifel geben, von wem in diesen Gerüchten die Rede war. Hier ging etwas vor, was für die Saarbrücken ausgesprochen gefährlich werden konnte! Es passte zu dem Eindruck, den er von seinem Zusammentreffen mit Petronius gewonnen hatte.
Da braute sich etwas zusammen.
»Dich scheint das nicht zu beunruhigen«, sagte er vorsichtig.
»Nein, nein, das tut es nicht. Ich gebe nichts auf diese Gerüchte. Oh ja, an Magie glaube ich, und an Hexen, doch ich fürchte derlei nicht und Kriege wurden bisher immer mit dem Schwert entschieden, niemals durch Zauberei. Die sind doch alle hysterisch. Aber ja, wenn was dran ist, dann sollen die Heidenmagier mal fleißig sein und die Grenzen sichern, damit wir einen ruhigen Dienst haben, meinst du nicht?«
»Ja … ja sicher«, beeilte sich Volkert gedankenverloren zu antworten.
»Hilf mir mit dem Stamm!«, lenkte ihn Simodes ab.
Volkert hörte gar nicht richtig hin.
10
Lucia Claudia Michellus war eine beeindruckende Frau in ihrem Zorn wie in ihrer Freude. Wenn sich ihr mächtiger Busen hob und sie ihre umfangreichen Oberarme ausstreckte, um mit wedelnden Bewegungen Freund wie Feind von ihrer Überlegenheit zu überzeugen, blieb jeder stumm und wartete auf Fluch oder Segen aus dem Munde der Senatorenfrau. »Die Senatorin« wurde sie hinter vorgehaltener Hand genannt und das nicht zu Unrecht: Wer genau die Politik ihres Mannes bestimmte, vermochte niemand mit absoluter Gewissheit zu sagen. Ihr durchdringender Blick und ihre ebenso durchdringende Stimme gehörten zu den größten Machtmitteln Lucias, und ihre massive Gestalt, von einer weit geschnittenen Tunika wie einer Zeltplane umhüllt, gebot Ehrfurcht und Respekt. Als junge Frau war Lucia eine bezaubernde Schönheit gewesen, um die sich Söhne wohlhabender und geachteter Persönlichkeiten in großer Zahl beworben hatten. Als ihr Vater sie an den jungen Michellus, damals gerade Censor geworden, vermählt hatte, war jeder der Ansicht gewesen, der aufstrebende junge Mann habe eine glänzende Partie gemacht. Auch Michellus war anfangs dieser Ansicht gewesen. Er hatte im Laufe der Zeit jedoch den einen oder anderen Zweifel bekommen, je mehr seine Frau ihren Liebreiz mit Körpermasse und ihren Charme mit Machtstreben ersetzt hatte. Die Tatsache, dass er die Gelegenheit zur Reise nach Sirmium so bereitwillig ergriffen hatte, kam sicher auch nicht von ungefähr.
Jetzt aber, in den Privatgemächern der Domina, war von Strenge und Unerbittlichkeit keine Spur zu sehen. Es war die weiche, fürsorgliche und verständnisvolle Lucia, die ihre schluchzend heimgekehrte Tochter liebevoll in den Armen hielt.
»Julia, ich
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