Kaiserkrieger 2: Der Verrat
Volkert ein.
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»An Bord kann ich sie nicht lassen. Aber ich muss.«
Es war das dritte Mal, dass Rheinberg diesen Satz gesagt hatte. Dahms, Neumann und Joergensen wechselten stumme Blicke. Die Nachricht von der Meuterei, ihren Opfer und der blutigen Niederschlagung hatte sichtbare Spuren beim jungen Korvettenkapitän hinterlassen. Er bewahrte Haltung, wie man es von ihm erwartete, doch vor allem der Arzt erkannte, wie sehr es in Rheinberg immer noch arbeitete.
»Sie müssen exekutiert werden, das ganze Pack«, insistierte Dahms. Er sprach die Worte in völliger Ruhe aus, ohne jemals die Stimme zu heben, doch seine Wut und Abscheu waren gerade dieser beherrschten Reaktion besonders eindringlich zu entnehmen. »Ein Kriegsgericht, gleich hier, gleich jetzt, und dann standrechtliche Exekution. Ich mag da ja versprochen haben, was ich wollte. Aber das gilt nach römischem wie nach deutschem Recht. Wir befinden uns da in völliger Übereinstimmung.«
Rheinberg sah Dahms an und genauso, wie er den einen Satz mehrmals wiederholt hatte, wiederholte sich auch sein Kopfschütteln.
»Herr Marineoberingenieur, ich kann Ihren Zorn sehr gut nachvollziehen. Und hätten wir andere Umstände, ich würde, ohne zu zögern, exakt den Weg gehen, den Sie gerade vorgezeichnet haben. Aber das geht hier nicht. Ihr Versprechen war nicht nur taktisch richtig, es war auch inhaltlich klug.«
»Warum?« Kein Vorwurf in Dahms' Stimme, nicht einmal genuine Neugierde, nur Beherrschtheit. Rheinberg seufzte auf.
»Weil wir hier allein sind, Dahms. Weil es von uns nur eine endliche Anzahl gibt, uns Reisenden in der Zeit. Weil wir einzigartiges Wissen in uns tragen, jeder Einzelne von uns. Weil wir es uns nicht leisten können, dieses Wissen zu vergeuden, indem wir es über den Haufen schießen. Weil wir so wenige sind und doch alles, was uns von der Heimat geblieben ist. Das kann man nicht einfach abtun, Dahms, das ist so. Wenn ich die Männer alle hinrichten lasse, dann werden sie uns eines Tages fehlen. An den Maschinen, bei unseren Gesprächen beim Bier, bei den gemeinsamen Wachen, bei unseren Erinnerungen und … einfach allem. Sie werden uns fehlen, Dahms, ganz bitter sogar.«
Die eindringlichen Worte Rheinbergs schienen ihre Wirkung auf den Ingenieur nicht gänzlich zu verfehlen. Er presste die Lippen aufeinander, wirkte fast unwillig, das verstehen zu wollen, was ihm gesagt wurde, konnte sich aber doch einer gewissen Einsicht nicht verschließen.
»Wir können das nicht machen«, bekräftigte Rheinberg. »Wir können aber auch nicht so tun, als wäre nichts geschehen. Es ist verdammter Mist, dass Klasewitz und Tannberg verschwunden sind. An ihnen, Dahms, hätte ich in der Tat so etwas wie ein Exempel statuiert. Von Klasewitz wäre über die Klinge gesprungen und Tannberg hätte ich zum Matrosen gemacht. Aber so … aber so …«
»Ich verstehe gut, dass wir die Meuterer nicht einfach erschießen können«, sagte nun Neumann. »Die Römer haben auch nur die wenigen Legionäre hinrichten lassen, die sich von Petronius haben kaufen lassen. Die gefangenen Mönche werden bestraft, aber aus Rücksicht auf die Volksseele hat Renna von Hinrichtungen absehen lassen. Es ist nicht so, als würde er besonders blutrünstig reagieren wollen, und vielleicht sollten wir das auch nicht.«
Rheinberg sah Neumann dankbar an. »Dann machen wir es so: Alle Männer werden zum Matrosen degradiert und werden in den kommenden drei Jahren auf Bewährung gesetzt. Wer sich anständig benimmt und seine Pflicht tut, kann nach den drei Jahren wieder befördert werden oder den Abschied nehmen. Wer auch nur den geringsten Anlass zum Tadel gibt, hat sein Leben verwirkt. Ich werde die Offiziere und Unteroffiziere anweisen, die Leute gut im Auge zu behalten.«
»Das wird funktionieren«, mutmaßte Joergensen. »Die Männer werden dankbar sein, eine zweite Chance zu erhalten und gut auf sich aufpassen. Sie wissen, dass ihr Leben an einem seidenen Faden hängt. Ich bin dafür, es so zu machen. Ich werde es mir selbst zur Aufgabe machen, die Delinquenten besonders gut zu beobachten.«
»Dann beauftrage ich Sie damit, die Bewährung zu beurteilen«, hakte Rheinberg sofort nach. »Ich lege es in Ihre Hände. Habe ich Ihnen schon gesagt, dass Sie neuer Erster Offizier sind?«
Joergensen grinste wie ein kleiner Junge.
»Und ich befördere Sie zum Korvettenkapitän. Da machen wir noch eine feine Zeremonie draus. Als Oberleutnant kann ich Ihnen diesen Posten
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