Kaiserkrieger 2: Der Verrat
Heermeister nicht zu jenen Armeeführern gehörte, die bereits gute Pläne durch eigene Vorschläge zwanghaft »verbessern« mussten, nur, um unter Beweis zu stellen, dass sie ihren Dienstgrad mit Recht trugen. Das hatte aus so manchem guten Konzept bereits eine mittlere Katastrophe gemacht und das konnten sie sich diesmal beim besten Willen nicht leisten.
»Becker, immer herein!«, begrüßte ihn Victor in bemerkenswert aufgeräumter Stimmung. Aufgrund der vielen Begegnungen in letzter Zeit war einiges von der Formalität ihres ersten Zusammentreffens verblasst. Victor hatte zumindest erkannt, dass Becker kein Dämon, sondern Soldat war – ein reichlich seltsamer Soldat in reichlich seltsamer Aufmachung, aber es waren ja auch reichlich seltsame Zeiten …
»Ihr habt mich rufen lassen, Heermeister?«
»Ja, wir sind zu einem Entschluss gekommen. Hier, wir sollten uns setzen.«
Becker zügelte seine Neugierde und nahm wie aufgefordert Platz. Er versuchte in Arbogasts Gesicht zu lesen, aber die Züge des alten Generals gaben keine Andeutung preis.
»Ich will es kurz machen. Wir haben nach eingehender Beratung Eurer Pläne beschlossen, dem Vorgehen eine Chance zu geben und es so zu machen.«
Becker kontrollierte ein erleichtertes Aufseufzen, das ihm hatte entgleiten wollen. Er gestattete sich aber ein erfreutes Lächeln.
»Ich gebe zu«, setzte Victor fort, »dass unsere Entscheidung auch damit zu tun hat, dass die Goten nun offenbar eindeutig den Sturm auf diese Stadt planen und ihre Marschgeschwindigkeit erhöht haben. Unsere Späher gehen davon aus, dass sie in einer Woche hier eintreffen werden. Sie wollen offenbar eine Schlacht, bevor der Winter richtig einbricht, und die Vorräte Thessalonikis würden ihnen bei der Überwinterung auch durchaus helfen.«
Becker nickte. Keine wirklichen Neuigkeiten, aber dass die Goten nun offenbar entschiedener handelten, war augenscheinlich tatsächlich für Victors Entscheidungsfindung wichtig gewesen.
»Ich werde die ganze Operation koordinieren, aber ich erwarte, dass Sie und Arbogast die eigentliche Befehlsarbeit leisten. Wenn Sie meiner Autorität bedürfen, dann bedienen Sie sich ihrer, aber ich denke, dass meine völlige Unerfahrenheit mit den Wunderwaffen hier eher hinderlich sein dürfte.«
Victors Ansehen in Beckers Augen stieg um einige Prozentpunkte an und auch seine Erleichterung verstärkte sich. Er wechselte einen schnellen Blick mit Arbogast, der ihm gemessen zunickte.
Flavius Victors Aussage war natürlich leicht untertrieben. Er hatte sich nicht nur die genauen Schilderungen des Kampfes gegen die Goten auf dem Marsch hierher angehört, auch hatten ihm Beckers Männer eine Demonstration dessen gegeben, was man mit einem Gewehr, einem MG und einer Handgranate erreichen konnte. Der alte Heermeister war sichtlich beeindruckt gewesen und besaß ohne Zweifel ausreichend Vorstellungskraft, um ermessen zu können, was diese Waffen bei den Goten anrichten konnten und angerichtet hatten.
»Wann sollen wir mit den Vorbereitungen beginnen?«, fragte Becker.
»Sofort. Wir fangen sofort an«, gab Victor die erhoffte Antwort. »Wenn alles klappen soll, müssen wir rigoros trainieren, vor allem das …«
»Wegschmelzen«, half Becker halb lächelnd.
»Wegschmelzen vor dem gotischen Angriff, und dann auch noch so, dass Ihre Leute die meinen nicht über den Haufen schießen.«
»Dann wollen wir keine Zeit verlieren. Darf ich noch einen Vorschlag machen?«
»Bitte!«
»Wir müssen davon ausgehen, dass die geflohenen Goten von unserem ersten Zusammentreffen berichtet haben. Es dürfte auch anzunehmen sein, dass wir bald mit dem verstärkten Aufkommen gotischer Späher zu tun haben werden. Es wäre mir sehr lieb, wenn Fritigern so wenig von der Art unserer Manöver erfahren würde, wie möglich. Ich möchte verhindern, dass er sich das Seine zusammenreimt und unser Plan plötzlich nicht mehr aufgeht.«
»Also eigene Patrouillen verstärken und mögliche Beobachtungspunkte absichern«, schloss Victor. »Ein guter Vorschlag. Ich werde sofort die entsprechenden Anweisungen geben.«
Er erhob sich etwas schwerfällig und breitete die Arme aus. »Wenden Sie sich jederzeit an mich, wenn noch etwas ist. Ich habe soeben das Schicksal dieser Stadt in Ihre Hände gelegt, Becker.«
Der Hauptmann verneigte sich. In Wirklichkeit lag jetzt, dessen wurde er sich schmerzhaft bewusst, das Schicksal des Römischen Reiches in seinen Händen.
Als er den Raum verließ und von Geeren
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