Kaiserkrieger 2: Der Verrat
einigen Mannschaftsdienstgraden zu nahezu blankem Entsetzen geführt hatte. Als sie sich wieder die Schulbank drücken sahen, um Sprachen zu lernen, wegen derer manche der Männer frühzeitig die Schule verlassen hatten, waren derbe Flüche noch die höflichste Reaktion gewesen. Doch Becker war gnadenlos geblieben. Sollten sie bei der künftigen Schlacht mit den Römern zusammenarbeiten, war ein Mindestmaß an Verständigung notwendig und niemand wusste, in was für einer Situation sich so mancher seiner Soldaten wiederfinden würde. Zwei Stunden Sprachlektionen pro Tag hatte er befohlen, zu wenig und vor allem zu wenig intensiv, aber für mehr war kein Platz.
In den vergangenen Tagen hatte der Hauptmann die Befestigungsanlagen Thessalonikis gut kennengelernt, hier hatten die Römer nichts vor ihm verborgen. Die fast viereckige Stadt, ursprünglich größtenteils in halbkreisförmigen Terrassenanlagen an einem Hang errichtet und dann von einer quadratischen Maueranlage umschlossen, wurde von einer beeindruckenden Akropolis dominiert, in der das Hauptquartier der Streitkräfte in einer Festung lag. Neun Tore führten von der Stadt nach draußen und die Befestigungsanlagen, teilweise noch aus makedonischer Zeit, waren in den letzten Jahren umfassend erneuert worden. Mitten in den Bollwerken befand sich der künstliche Hafen Konstantin des Großen mit seinen Werften und einem Geschwader der Kriegsflotte. Dazu kam ein außerhalb der Befestigungen liegender zweiter Hafen sowie eine tiefe Reede, auf der ebenfalls Schiffe vor Anker gehen konnten. Thessalonikis Glanz hing eng mit seinem Erfolg als Handelsknotenpunkt zusammen.
Als die Römer merkten, dass er sich nicht für Fluchtwege und Katakomben, sondern ausschließlich für Positionen interessierte, von denen aus MGs und Sturmgewehre einen möglichst optimalen Bereich auf einem möglichst optimalen Schlachtfeld unter Kontrolle haben würden, waren seine Führer gleich noch entspannter gewesen. Becker war vor den Stadtmauern hin und her marschiert, hatte endlose Treppen erklommen, enge Wandelgänge durchschritten und zahllose Blicke über Balustraden und aus Türmen geworfen. Von Geeren sowie einige der Wachtmeister hatten ihm dabei geholfen, und abends hatten sie ihre Erkenntnisse und Einschätzungen sorgfältig verglichen, Pläne der Römer durch eigene Zeichnungen ergänzt und Berechnungen angestellt. Letztlich hatte sich ein zunehmend klares Bild herausgeschält und sie waren zur Übereinkunft gekommen, dass die Ebene westlich der Stadt das ideale Schlachtfeld für ihre Pläne sein würde. Schließlich waren sie mit ihren Erkenntnissen an Victor herangetreten und hatten begonnen, einen Plan zu entwickeln: die heranrückenden Goten auf der Ebene durch eine scheinbar zur Schlacht antretende römische Feldarmee zum Sturmangriff zu bewegen und sie direkt in einen Feuerkessel rennen zu lassen. Sie hatten für diese Aktion nur eine einzige Chance und das im Wesentlichen aus zwei Gründen: Die Goten würden sich nicht ein zweites Mal so massiv hereinlegen lassen und ihnen würde nach dieser Schlacht schlicht die Munition fehlen. Die größte Schwäche der Deutschen machte sich in Beckers Kalkulationen immer schmerzhafter bemerkbar: All ihre hochmodernen Waffen und entsprechenden Taktiken nützten ihnen rein gar nichts, wenn sie keine Patronen mehr hatten. Und mit aufgepflanztem Bajonett und gezogenem Säbel anzutreten, hatte sicher für manche etwas Romantisches, aber in diesem Falle würde jeder gewiefte Schwertkämpfer dieser Zeit mit den Deutschen kurzen Prozess machen. Daran konnte es keinen Zweifel geben.
Er hatte mit von Geeren bereits die Notwendigkeit besprochen, alle Männer einem intensiven Training mit dem römischen Kurzschwert zu unterziehen und dieses zur künftigen Standardausstattung zu machen. Auch ihre eigenen Offizierssäbel waren da nur ein schwacher Ersatz. Je nachdem, wie lange die Goten auf sich warten lassen würden, konnte man mit einem solchen Programm bald beginnen. Becker hatte bei dem Gedanken gelächelt, wie bärbeißige römische Ausbilder den Fremden mit den Wunderwaffen einen anständigen Waffendrill verpassten. Doch die Idee war gut: Sie würde manche Arroganz in den Köpfen der Deutschen und manche abergläubige Furcht in denen der Römer vertreiben helfen.
Doch darum ging es jetzt nicht. Flavius Victor würde Becker seine endgültige Entscheidung bezüglich des ausgearbeiteten Planes bekannt geben. Becker hoffte inständig, dass der
Weitere Kostenlose Bücher