Kaiserkrieger 2: Der Verrat
noch so kritisch eingestellt sein, doch als er hier über die Straße flanierte, bis hin zum beeindruckenden Theater-Stadion, das gut 20.000 Besuchern Platz bot, musste er eingestehen, welch großartige zivilisatorische Leistung die Römer vollbracht hatten. Er ertappte sich selbst beim Staunen und doch fühlte er keine Ehrfurcht, nur Respekt.
Er hielt sich in der folgenden Zeit auch keinesfalls von den Tavernen fern, vielmehr suchte er bewusst jene aus, die von den Legionären frequentiert wurden. Seine Solidi lagen locker in seinem Beutel und so manche Runde ging auf seine Kappe. Der Wein, obgleich schlecht und sauer, löste die Zungen der klammen Legionäre, und wenn Godegisel auch noch einen anständigen Braten orderte, waren die Soldaten nur zu bereit, über Gott und die Welt zu reden. Der gotische Spion ließ sie reden, steuerte die Konversation keinesfalls, sondern lehnte sich nur zurück, sorgte dafür, dass die Krüge nachgefüllt wurden, und machte hin und wieder einen Scherz. Dabei erweckte er immer wieder den Eindruck, gar nicht richtig Griechisch zu können, und radebrach, wenn er zu sprechen hatte. Mehr und mehr gewöhnten sich die Legionäre an seine Gegenwart und mehr und mehr wurde er gar nicht großartig wahrgenommen. Godegisel spielte die Rolle des melancholischen Flüchtlings, dessen schweres Schicksal ihn langsam zum Suff führte und der sein letztes Geld in Tavernen verprasste, bis zur Perfektion. Die Legionäre nahmen seine Einladungen gerne an, behandelten ihn anständig und ließen ihn sitzen, wo er wollte, aber ansonsten wurde er zunehmend ignoriert.
Das war genau das, was der Gote hatte erreichen wollen. Es dauerte einige Tage, dann fing er an, zielgerichtet Informationen zu sammeln. Eine hingeworfene Bemerkung hier, ein paar hochgezogene Augenbrauen da: Viel mehr war gar nicht notwendig, denn die Ankunft der Fremden war Stadtgespräch. Doch Godegisel wollte durch den Schleier der Gerüchte hindurchdringen und handfeste Informationen sammeln, und da waren die Legionäre von großer Bedeutung.
Und so setzte sich für ihn im Laufe der Zeit ein Bild zusammen. Er hörte von den Wunderwaffen der Fremden, die dem Vernehmen nach aus Germanien stammen sollten – eine Theorie, die Godegisel für abenteuerlich hielt. Er hütete sich jedoch, eine eigene Meinung zu äußern, und ließ lieber nachschenken. Die Beschreibungen der Waffen und vor allem ihrer Wirkung entsprachen trotz der offensichtlichen Übertreibungen der angeheiterten Römer den Schilderungen der Flüchtlinge, sodass der Adlige mehr und mehr zu der Überzeugung kam, dass diese die Wahrheit gesagt haben mussten. Mehrfach fuhr ihm ein kalter Schauer über den Rücken, als er sich von den Legionären ausmalen ließ, was diese Waffen mit der anrückenden Gotenarmee anstellen würden, und wenn auch nur die Hälfte dessen stimmte, war die Sache seines Volkes tatsächlich in sehr ernsthafter Gefahr. Sein erster Impuls war, die Stadt sofort wieder zu verlassen und Fritigern zu warnen, doch dann besann er sich eines Besseren. Es galt nicht nur, noch mehr herauszufinden, er durfte auch den Vorteil nicht verschenken, dass er sich innerhalb der Stadtmauern befand.
Dies mochte sich noch als ausgesprochen nützlich erweisen.
Als er eine erste Sammlung von Informationen beisammenhatte, beauftragte er Rechiar damit, diese zu Fritigern zu bringen. Er ging damit durchaus ein Risiko ein, denn von den restlichen Männern sprach keiner mehr Griechisch, andererseits war Rechiar am ehesten derjenige, der sich durch die römischen Patrouillen lavieren konnte – außerdem ritt er wie der Teufel und würde daher schnell, sehr schnell bei den gotischen Truppen angekommen sein. Mit etwas Glück würde ihm auch der Weg zurück noch gelingen, doch Godegisel hatte dies betont offen gelassen. In seine Nachricht an Fritigern baute er alle Details ein, derer er sich einigermaßen sicher war, und warnte eindringlich davor, die Gefahr zu unterschätzen. Er wusste, dass dem Richter trotzdem keine andere Wahl blieb, als den Angriff zu wagen, wollte er nicht seine Autorität aufs Spiel setzen, aber vielleicht konnte man etwas tun, um das nun so offensichtlich gewordene Ungleichgewicht zugunsten der Goten zu verschieben. Tatsächlich drehten sich Godegisels Gedanken um kein anderes Problem. Er musste mehr über die tatsächlichen Pläne der Fremden herausfinden, sich ein Bild davon machen, wie sie ihre überlegenen Waffen einzusetzen gedachten. Er hatte das Gefühl,
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