Kaiserkrieger 2: Der Verrat
…«
Rheinberg hob die Hand. Dahms verstummte.
»Ich weiß das alles«, beschwichtigte der Korvettenkapitän den Mann. »Und ich verspreche: Sobald diese Krise gemeistert ist, werden wir uns darum kümmern. Oberste Priorität. Aber jetzt haben wir andere Sorgen.«
Dahms wusste, wenn er sein Pulver verschossen hatte. Er nickte knapp und verzog sich ohne weitere Formalitäten wieder nach unten. Rheinbergs Blick suchte mittlerweile die Kaimauern ab.
»Da!«
Langenhagen hatte sie als Erstes entdeckt. Für einen winzigen Moment verspürte Rheinberg einen Stich. Er erinnerte sich an seine gemeinsamen Wachen mit Thomas Volkert und die großen Stücke, die er auf den jungen Mann gehalten hatte. Der Fähnrich war spurlos verschwunden und der Besuch, den er kurz vor dem Auslaufen von seiner Braut, der römischen Senatorentochter Julia, erhalten hatte, ließ nichts Gutes für sein Schicksal erahnen. Volkert war ein Deserteur, aber er war kein Meuterer und er hatte die gleiche Form der Milde verdient wie jene, die sich gegen die legitime Schiffsführung gestellt hatten. Doch wo Volkert sich aufhielt und ob er überhaupt noch am Leben war – Rheinberg hatte aufbrechen müssen und konnte auch Julia nicht mehr versprechen als eben Dahms: erst diese Krise, danach alles Weitere. Immerhin hatte er noch eine Botschaft an Renna entsandt, mit der Bitte, sich dieser Sache anzunehmen. Eine Antwort hatte ihn nicht mehr erreicht.
Er würde Volkert bestrafen müssen, wusste aber, dass über kurz oder lang Leute aus seiner Mannschaft ausmustern würden – und wenn er ihnen dies verbot, würden sie desertieren. Sie würden sich Bräute an Land suchen und einige würden Familien gründen wollen. Viele besaßen wertvolle Fähigkeiten, die man mit etwas Einfallsreichtum und Anpassung schnell in klingende Münze verwandeln konnte. Die Pläne Köhlers zum Aufbau einer Kaiserlich Römischen Schnapsbrennerei waren Rheinberg keinesfalls entgangen – und er hatte ihnen, wie so vielen Plänen, die durch die Mannschaft geisterten, bereits im Stillen seinen Segen gegeben.
Doch erst dies. Erst dies.
»Sie sind es!«, riss ihn Langenhagens Stimme zurück in die Gegenwart. Dort, in einem Pulk Legionäre, stand Hauptmann Becker am Kai und winkte der einlaufenden Saarbrücken ebenso frenetisch zu wie viele der Bürger Thessalonikis. Neben ihm standen römische Offiziere in reich verzierten Rüstungen, darunter ein älterer Herr, den Rheinberg für den hiesigen Oberbefehlshaber Flavius Victor hielt. Er würde dies auch noch eine Weile bleiben, denn Theodosius stellte sich mit geliehenen Truppen des Westens und neuen Rekruten den Sarmaten entgegen. Mit seinem Eintreffen in Thessaloniki war nicht in allzu naher Zukunft zu rechnen.
Es gab da eine schöne kleine Ironie, die so kennzeichnend für das Römische Reich war, fiel Rheinberg in diesem Moment auf. Denn Flavius Victor, der Heermeister des Valens, war auch Sarmate. Wie wenig Nationalität und Herkunft in Rom letztlich ausschlaggebend waren, gehörte zu den Erfahrungen, die Rheinberg gerade im Kontrast mit der Politik des Deutschen Reiches als ausgesprochen erfrischend empfand – und das gab ihm trotz aller anstehenden Herausforderung einiges an Hoffnung.
»Börsen, Sie machen das ganz ausgezeichnet!«, lobte Rheinberg den Maat, der dies mit einem unmerklichen Nicken zur Kenntnis nahm. Ohne die Hilfe von Schleppern den Kai so anzusteuern, dass er den Kreuzer nicht in die Steinmauer rammte und auch sonst die Hülle nicht beschädigt wurde – und dabei gleichzeitig ein Gemetzel unter den höchst leichtsinnig umherschwenkenden Ruder- und Segelbooten zu verhindern, all das verlangte höchste Fertigkeiten.
»Leinen vorne!«, brüllte Köhler auf Deck und die Matrosen am Bug warfen die Leinen zu den wartenden deutschen Infanteristen, die diese sofort an sich zogen und begannen, den Kreuzer sanft in Richtung Kai zu ziehen.
»Maschinen aus!«, befahl Rheinberg.
Die Saarbrücken knirschte vorne sanft gegen die Kaimauer. Börsen verzog unmerklich das Gesicht, doch Rheinberg klopfte ihm auf die Schulter.
»Das passt schon«, murmelte er.
Auch die hinteren Leinen wurden geworfen und rund 20 Infanteristen zogen das Heck des Kreuzers heran. Es dauerte keine fünf Minuten mehr und die Saarbrücken lag fest vertäut im Hafen von Thessaloniki. Kaum war das Fallreep niedergelassen, marschierte auch schon Becker in Begleitung des älteren römischen Offiziers an Bord, ohne dass Köhler die Ehrenwache hatte
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