Kaiserkrieger 2: Der Verrat
das nur eines: Dies war ein Manöver, um diesen Fernwaffen möglichst schnell ein freies Schussfeld zu ermöglichen, ohne dass die Legionäre in die Gefahr gerieten, von den Projektilen getroffen zu werden.
Godegisel harrte auf seinem Beobachtungsposten aus. In den Stunden, die nun folgten, wiederholten die römischen Truppen das gleiche Manöver vier Mal, jedes Mal mit größerer Geschwindigkeit. Erst dann schienen die Befehlshaber damit zufrieden zu sein und erlaubten ein Ende der Übung. Als der Gote nachdenklich die Treppenstufen hinabmarschierte, war ihm klar, welche Falle die Römer den anrückenden Goten stellen wollten und welche Konsequenzen das für seine Leute haben würde. Wenn er nichts unternahm, dann würden die angreifenden Goten niedergemäht werden wie Getreide auf dem Feld, nein, schneller noch, effektiver und sehr blutig. Godegisel konnte sich lebhaft vorstellen, welchen erschreckenden, massiven Effekt das auf die Masse der Krieger haben würde, vor allem auf die Überlebenden. Der Gote sah Fritigern bereits auf Knien vor den Römern um Frieden, ja um Gnade bitten. Ein bitterer Geschmack stieg in den Mund des Adligen, als er sich das vorstellte und noch während er seinen Schritt durch die abendlichen Straßen der Stadt zur Herberge lenkte, versuchte er sich auszumalen, wie er diese Katastrophe verhindern konnte.
Als er den engen Raum, den er zusammen mit drei seiner Kameraden bewohnte, erreicht hatte und die erwartungsvollen bis desinteressierten Blicke der Männer ignorierte, hatte sich bereits der Umriss eines Plans in seinem Kopf gebildet. Er war nun plötzlich wieder froh, mit acht weiteren Verrückten unterwegs zu sein, denn er würde für das, was er vorhatte, tatsächlich absolut furchtlose und zu allem bereite Männer benötigen.
Er nahm sein Abendessen schweigend zu sich. Dann saß er brütend noch einige Stunden auf seinem Strohlager, mit geschlossenen Augen, jedoch keinesfalls schlafend. Gegen Mitternacht schlug er seine Augen auf, blinzelte, entzündete ein Talglicht und weckte behutsam die Männer.
Dann gab er seine Befehle.
31
»Und das ist erst der Anfang«, machte Dahms klar. Er schob die Schirmmütze etwas zur Seite, kratzte sich am Kopf und schaute zusammen mit Rheinberg von der Brücke der Saarbrücken auf den Hafen von Thessaloniki. Mit unendlicher Langsamkeit glitt der Kreuzer in das Hafenbecken, denn eine unübersehbare Vielzahl von Wasserfahrzeugen wuselte vor dem Bug der Deutschen hin und her. Der Seehandel hatte mit dem einsetzenden Winter aufgehört, sodass das noch von Kaiser Konstantin angelegte Hafenbecken, sicher innerhalb der Befestigungen gelegen, vollgepackt war. Vorherrschend waren die Küstenfrachtschiffe der Navicularii, einer Mischung aus Reeder, Bootseigner, Händler und Kapitän, die die gesamte Küstenregion mit Waren versorgten, die aus anderen Teilen des Reiches in Thessaloniki eintrafen oder hier produziert wurden. Diese breiten Boote wurden gerudert, nicht gesegelt, und lagen nun ebenfalls vor Anker, da sie der zunehmend rauen See des Winters nichts entgegensetzen konnten.
Schaulustige säumten die Kaianlagen und die vereinzelt sichtbaren Legionäre schienen große Probleme damit zu haben, die Menge einigermaßen unter Kontrolle zu halten. Auf der Stirn des Steuermannsmaates schimmerte ein feiner Schweißfilm und man konnte dem Mann die Konzentration förmlich ansehen. Rheinberg mischte sich nicht ein. Börsen war ein erfahrener Mann und wusste genau, was er zu tun hatte. Seine vordringlichste Aufgabe war es nun, keines der Fischerboote zu versenken, die durchaus gefährlich nahe vor und mit ihnen im Hafen einliefen. Viele der Boote waren mit Zuschauern überladen, die den Kreuzer wie ein Weltwunder angafften. Das konnte Rheinberg ihnen kaum übel nehmen – obgleich sie unweit Thessalonikis einen Melder an Land gesetzt hatten, um die Stadt von ihrer Ankunft zu informieren. Wahrscheinlich hatte das die Neugierde erst recht angeheizt, wenngleich es ohne Zweifel geholfen hatte, eine mögliche Panik zu verhindern.
»Wir müssen uns endlich eine richtige Basis bauen«, lenkte der Marineoberingenieur Rheinbergs Aufmerksamkeit wieder auf ihr Gespräch. »Wir sind jetzt seit Wochen in dieser Situation. Wir haben nicht viele Kohlen verloren, weil wir die meiste Zeit stationär lagen, aber noch ein paar Rundreisen und wir müssen neu bunkern – und da wäre mir was Besseres lieb als nur Holz. Das Salzwasser des Mittelmeers
Weitere Kostenlose Bücher