Kaiserkrieger 2: Der Verrat
Eindruck bei Fritigern hinterlassen, dass er danach bereit ist, jeden Frieden mit Rom abzuschließen.«
»Vielleicht ist er das jetzt schon!«, meinte Becker. »Wenn er etwa glaubt, was ihm die Überlebenden …«
»Was er glaubt, ist zweitrangig«, unterbrach ihn Victor. »Er ist kein Kaiser, er ist temporärer Anführer der Goten, und Alarich hat auch noch eine Meinung, obgleich der alte Mann dem Tode sicher noch um einiges näher ist als ich. Er ist nicht völliger Herr der Entscheidungen und er hat genug kampfesdurstige Unterführer, die ihm die Gefolgschaft aufkündigen würden, wenn er nach dem Sieg von Adrianopel nun plötzlich aufgibt! Nein! Fritigern selbst mag bereit zu Verhandlungen sein, das will ich nicht mal pauschal abstreiten, aber die Goten – die gotische Elite – die sind es nicht.«
Rheinberg konnte dem Feldherrn nur beipflichten.
»Es ist tatsächlich ein Glück, dass wir es rechtzeitig bis hierher geschafft haben«, meinte er. »Ich denke, dass die Saarbrücken den kleinen, aber feinen Unterschied machen kann, wenn der Plan nicht ganz hundertprozentig funktionieren sollte. Haben wir eine Karte?«
Becker griff in seine Umhängetasche und holte eine hervor. Als sie auf dem Tisch ausgebreitet lag, runzelte Rheinberg die Stirn, dann nickte er.
»Wir sollten folgende Vorkehrungen treffen …«
Bilimer biss herzhaft in die Teigtasche, sodass der Saft aus dem gegarten Fleisch sein Doppelkinn herunterrann. Ihn störte das nicht, und die Gewalt, mit der er die unterarmlange Speise in sein Mundwerk stopfte, dabei grunzte, schmatzte und rülpste, hielt andere Schaulustige von ihnen fern. Vor allem lenkte es von Godegisel ab, der mit zusammengekniffenen Augen das Einlaufen des gigantischen Eisenschiffes beobachtet hatte. Er teilte die Freude und Euphorie der Stadtbürger Thessalonikis nicht, ließ sich das aber nicht anmerken. Wenn etwas die absolute technische Überlegenheit der Fremden symbolisierte, dann diese machtvolle Komposition aus Metall und Holz, deren unheilvolle Präsenz alles andere im Hafen der griechischen Provinzhauptstadt zu überlagern schien.
Godegisel war nicht beeindruckt, er war beunruhigt. Er war erschrocken. Er hatte Angst. Waren die Manöver und die taktischen Spiele der römischen Armee, Wunderwaffen hin oder her, letztlich für ihn nachvollziehbar und verständlich gewesen, dieses Ungetüm aus Eisen überstieg seine Vorstellungskraft bei Weitem. Römische Triremen waren für ihn bereits mächtige Schiffe, für einen Goten, der kaum mehr als Flusskähne kannte. Aber die kalte Präsenz dieses Schiffes, das trotz der verspielt wirkenden Verzierungen am Bug wie ein Monstrum aus einer alten griechischen Saga wirkte, war etwas ganz anderes. Godegisel spürte in sich eine seltsame Mischung aus Begehren und Abscheu. Begehren, dieses mächtige Instrument zu besitzen, es sich untertan zu machen und jeden römischen Widerstand damit zu brechen, und Abscheu zugleich, als ob er instinktiv begriff, dass dieses Schiff hier am falschen Ort und zur falschen Zeit war, eine Abnormität, die nichts in Thessaloniki, nichts in Rom, gar nichts in seiner Welt zu suchen hatte. Die Fremdheit, die das Monstrum ausströmte, schien mit Händen greifbar zu sein, doch die Bürger der Stadt bejubelten den Kreuzer wie einen Erlöser, und als neben der fremden Flagge der Besucher ostentativ ein Tuch mit der Inschrift »S.P.Q.R.« am Heck des Schiffes gehisst wurde, brach lauter Jubel aus.
Godegisel schluckte seine Verachtung hinunter. Fremde, wie Dämonen durch die Zeit gereist, so sagte es das Gerücht, und sie wagten es, ihr Schiff im Namen von Senat und Volk Roms zu führen. Gratian musste sehr verzweifelt sein, wenn er dies zuließ, und das erinnerte den Goten daran, dass sich die Ursache für diese Verzweiflung nur noch wenige Tagesmärsche von Thessaloniki entfernt befand.
Was den Goten am meisten beunruhigte, waren diese großen Aufbauten auf dem Schiff, aus denen lange, dunkle Rohre ragten, scheinbar friedlich in die Luft gereckt und doch so voller unbestimmbarer Bedrohung, dass sich Godegisel nicht auszumalen wagte, welche Bewandtnis es mit diesen Maschinen haben mochte. Er hatte die Wunderwaffen der Fremden noch nie in Aktion gesehen und nicht mehr als lebhafte Schilderungen gehört. Doch in jedem Falle war von Metallwaffen die Rede gewesen, die die fremden Soldaten mit sich herumtrugen, Bögen oder Speeren gleich. Handwaffen, deren Konzept dem Goten fremd sein mochte, die er aber zumindest
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