Kaiserkrieger 4: Der Aufstand
sich bei Rheinberg für ihr ungebührliches Verhalten zu entschuldigen. Er kam zu beidem nicht.
Rheinberg hob seine Hand und nickte dem alten Mann zu. »Das wäre dann alles.«
Der Mann begriff, murmelte eine Verabschiedung und zog sich zurück.
Aurelias Lächeln schien die Düsternis des Archivs zu erhellen.
»Euer Dokument, Heermeister«, wies sie auf das Papier in Rheinbergs Hand hin.
Er betrachtete es, als würde er es zum ersten Mal sehen, und schob es dann achtlos in ein Regal.
»Das kann warten«, sagte er, immer noch etwas heiser.
Aurelia widersprach ihm nicht.
17
»Ja, davon habe ich gehört.«
Neumann beugte sich vor.
»Wirklich?«
Ihr Führer war ein älterer Mann mit einem schmalen, wettergegerbten Gesicht, das oft und lange der Höhensonne ausgesetzt worden war. Er arbeitete seit gut zwanzig Jahren als Karawanenführer und hatte schon Handelsexpeditionen in die entferntesten Winkel Aksums geleitet. Als Neumann das gehört hatte, war sein Ehrgeiz, mit dem Mann ins Gespräch zu kommen, geweckt worden.
Im Grunde hatte sie ja eine Legende nach Aksum geführt. Die Legende vom Ursprung der Kaffeebohne berichtete von einem Ziegenhirten, der in der Region Kaffa eines Tages bemerkt hatte, wie seine Tiere, nachdem sie von einer bestimmten Pflanze gekostet hätten, wach und lebendig die ganze Nacht herumgesprungen seien. Dies habe er einem Mönch berichtet, der der Sache nachgegangen sei und sowohl die Existenz der Pflanze wie auch die belebende Wirkung der Kaffeebohne bestätigt habe. Und so sei der Kaffee – die Pflanze aus der Region Kaffa – in der Welt verbreitet worden.
Wie es bei Legenden so war, wann genau wer die Kaffeepflanze entdeckt und vor allem ihre anregende Wirkung beobachtet hatte, das war im Dunkel der Geschichte verborgen. Neumann wusste allerdings, dass die Zubereitung der Bohne durch Röstung erst im 15. Jahrhundert im arabischen Raum aufgekommen war. Damit war dann der Siegeszug des Kaffees durch die Kulturgeschichte der Welt eingeleitet worden.
Das hieß aber nicht, dass es nicht doch solche gab, die schon vorher mit der Pflanze konfrontiert worden waren und, ohne sich weiter darüber Gedanken zu machen, über die Wirkung durchaus Bescheid wussten.
Und es schien, als sei dieser alte Karawanenführer eine solche Person. Gebre war sein Name und er hatte sich geduldig das Griechisch des Arztes angehört, eine Sprache, derer er selbst nur ansatzweise mächtig war. Doch sie hatten Zeit, an den Abenden der Rast, in den Zelten oder den Häusern, in denen sie Aufnahme gefunden hatten, Zeit, sich zu unterhalten und eine gemeinsame Verständigungsbasis zu finden. Schließlich war es Neumann mit Geduld, Papier, Bleistift und seinem zeichnerischen Talent gelungen, genau zu beschreiben, wonach er eigentlich suchte.
Gebre hatte die Zeichnung intensiv studiert. Neumann hatte diesem erklärt, welche Farbe diese Pflanze hatte, dunkelgrün, mit roten Früchten, strauchförmig.
»Ich habe sie selbst noch nie gesehen«, schränkte der Mann ein und hielt das Papier mit einer gewissen Ehrfurcht in der Hand. Es dauerte einen Moment, erst dann merkte Neumann, dass die Aufmerksamkeit des Aksumiten weniger der Zeichnung galt, sondern dem Papier selbst. Pergament war ihm wahrscheinlich bekannt, wenngleich nur von geringer Qualität. Aber richtiges Papier, wenn auch nur von einem normalen Zeichenblock, den Neumann immer mit sich führte, war für ihn natürlich ungewohnt – vom Bleistift, mit dem der Arzt die Zeichnung angefertigt hatte, einmal ganz abgesehen.
»Aber?«, drängte Neumann vorsichtig.
»Aber ich habe von anderen Führern gehört, dass sie im Hochland auf diese Pflanze gestoßen seien. Einige haben sie wohl zu kauen versucht. Das sei nicht sehr schmackhaft gewesen.«
Das konnte sich Neumann lebhaft vorstellen.
»Andere sagen, sie haben einen Aufguss versucht. Das sei auch nicht sehr lecker gewesen, aber man habe es in der kalten Nacht gut trinken können. Sie seien dann leichter aufmerksam geblieben, um die Wache zu bewältigen.«
Neumann nickte. Einen schlichten Aufguss mit heißem Wasser zu machen, war sicher die primitivste Form der Verarbeitung und das Ergebnis wäre wenig zufriedenstellend. Der nächste Schritt waren Röstung und Mahlen, um ein Geschmackserlebnis zu bekommen, das dem modernen Kaffeegenuss am nächsten kam. Doch um all dies bewerkstelligen zu können, war es notwendig, erst einmal genug Kaffee anzubauen und zu ernten. Das Ziel dieser
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