Kaiserkrieger 4: Der Aufstand
sich die Kalkulation als richtig erwies, dass man mit dem Kaffee-Export auch einiges zum Wohlstand Aksums würde beitragen können, dann konnte es sogar sein, dass dieses Reich sich anders entwickeln würde als in ihrer eigenen Geschichte. Der Zusammenbruch, die lange Phase interner Kriege zwischen verschiedenen Adligen, die Wiederauferstehung im Mittelalter bis zum erneuten Zerfall – nicht alles würde sich anders entwickeln, aber mit einer neuen ökonomischen Basis vielleicht doch das eine oder andere. Vielleicht wurde aus Aksum sogar der starke Partner, den auch Rom langfristig zum eigenen Überleben brauchen konnte. Es war kein guter Zustand, überall nur Feinde zu haben.
Für einen Moment erinnerte sich Neumann an die Position des Deutschen Reiches kurz vor dem Aufbruch der Saarbrücken. Er hatte sich nie offen dazu geäußert, aber er war zu keiner Zeit so vom sicheren Sieg des unausweichlich erscheinenden Krieges überzeugt gewesen wie die meisten anderen Offiziere. Vor allem, und das mochte paradox erscheinen, hatte er immer ernsthafte Zweifel am massiven Ausbau der deutschen Marine gehabt, die der Kaiser so vorangetrieben hatte. Er war sich keinesfalls sicher, ob die Kriegsmarine im Ernstfalle die zentrale Rolle spielen würde, die ihr Wilhelm II. offenbar zuschrieb.
Nun, der Kleine Kreuzer Saarbrücken würde ganz sicher keinen Beitrag mehr dazu leisten, wenn nicht noch ein Wunder geschah.
Der Geleitbrief des Statthalters von Adulis sowie ein entsprechendes Schreiben des römischen Kaisers waren Legitimation genug, um im Gästehaus des kaiserlichen Palastes Aufnahme zu finden. Hier wurde auch die Ladung der Maultiere auf einer überdachten Lagerfläche verstaut. Gebre und seine Männer verabschiedeten sich von den Reisenden ohne größere Zeremonie, wobei der Karawanenführer Neumann noch versprochen hatte, sich nach jenen umzuhören, die von der Kaffeepflanze gehört hatten. Es wurde vereinbart, dass diese sich direkt im Gästehaus melden sollten. Neumann wollte sicherstellen, dass er alle notwendigen Informationen rechtzeitig erhielt.
Obgleich sie als durchaus geachtete Gäste galten und ihre Bedeutung keinesfalls als gering angesehen wurde, hatte auch der aksumitische Hof sein Zeremoniell und der Negusa Nagast einen engen Terminplan. Das Regierungssystem des Reiches beruhte auf dem Kaiser genauso wie auf den regionalen Oberherren, die oft aufgrund der geografischen Bedingungen über ein respektables Maß an Eigenständigkeit verfügten. Das änderte aber nichts daran, dass es der Negusa Nagast war, der die letztendliche Entscheidungsgewalt hatte. Da der derzeitige aksumitische Kaiser ein alter Mann war, der den Zenit seiner Schaffenskraft bereits weit überschritten hatte, wurde es nicht einfacher, einen Termin für eine Audienz zu erhalten. Tatsächlich hörte man, dass der alte Mann im Regelfalle nicht mehr als drei bis vier Stunden am Tag ernsthaft den Staatsgeschäften nachging und vor allem in den letzten Monaten die Angewohnheit hatte, viel und oft zu schlafen. Es dauerte daher einige Tage, bis es schließlich gelungen war, eine Einladung zum abendlichen Mahl bei Hofe zu erhalten. Dies war durchaus eine Auszeichnung, da diese Gelegenheit normalerweise den höchsten Adligen und Würdenträgern vorbehalten war. Dann würde sich auch die Möglichkeit ergeben, die Geschenke loszuwerden.
Dass man an diesen besonders begehrten Termin gekommen war, hing möglicherweise auch mit den erlesenen Luxusgütern aus Rom und Adulis zusammen, die die Expedition mitgebracht hatte. Alles war dem aksumitischen Hof übergeben worden, entweder zum eigenen Gebrauch oder zum Weiterverkauf. Die Freude darüber war bei den Offiziellen bei Hofe deutlich erkennbar gewesen und man war auf einige echte Experten gestoßen, die den Wert der Güter gut hatten einschätzen können. Neumann und Africanus hatten beide darauf bestanden, nur Waren von echtem Wert mitzuführen und nicht zu versuchen, die Aksumiten mit Tand zu blenden. Diese Entscheidung stellte sich im Nachhinein als ausgesprochen weise heraus.
Es war der Abend vor dem Empfang, als die Expeditionsteilnehmer sich zu einem eigenen gemeinsamen Essen im Speiseraum des Gästehauses eingefunden hatten. Die aksumitische Küche war Landarbeiterkost, gehaltvoll, schwer, mit vielen Hülsenfrüchten und Getreide, scharfen und sämigen Soßen sowie einem geschmacklosen Fladenbrot, das anstatt von Besteck zur Aufnahme der Speisen verwendet wurde. Diese Kombination führte
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