Kaiserkrieger 4: Der Aufstand
dazu, dass man selbst von kleinen Portionen schnell satt wurde und sich meist an der Vielfalt der dargebotenen Speisen gar nicht erfreuen konnte. Oft genug war man nach dem Gang durch die erste der großen und flachen Schüsseln, auf denen die Variationen angerichtet waren, völlig gesättigt. Da das morgige Abendessen aus mehreren Gängen bestehen würde, hatte Neumann den Freunden eingeschärft, nicht gleich zu Beginn voll zuzuschlagen und auch guten Hunger mitzubringen, um nicht durch die Verweigerung der Nahrungsaufnahme Anstoß zu erregen, während die Gastgeber noch nicht einmal halb fertig waren. Köhler und Behrens, die sich beide für begnadete Esser hielten, hatten die warnenden Hinweise des Arztes anfangs noch abgetan, jedoch mit jeder neuen Runde aksumitischer Kochkunst die tiefe Weisheit des Ratschlages mehr und mehr eingesehen. Dieses gemeinsame Abendessen vor dem Termin beim Negusa Nagast war daher in gewisser Hinsicht die Generalprobe: Sie alle hatten vereinbart, bis zum Ende des Mahls auf irgendetwas zu kauen und bisweilen auch zu schlucken, egal, wie viel bereits aufgetischt worden war.
Sie hatten sich gerade zusammengesetzt, als ein Würdenträger den Raum betrat. Er verhielt sich höflich und verbeugte sich, führte aber vier Soldaten mit sich, was ihm eine gewisse Autorität verlieh. Er stellte sich nicht weiter vor, aber Neumann erkannte an seiner Kleidung, dass es sich um einen Offizier der Palastwache handelte.
Der Mann sprach perfektes, sorgfältig artikuliertes Griechisch.
»Ich habe den Auftrag, die Geschenke zu untersuchen!«, erklärte der Mann. »Ich habe gehört, dass Ihr morgen Abend dem Negusa Nagast und anderen Führern des Reiches Gaben überreichen wollt.«
»So ist es üblich bei uns.«
Der Offizier lächelte. »Gegen diese Vorgehensweise ist nichts einzuwenden. In Rom, so habe ich gehört, achtet man ebenfalls darauf, dass ein Geschenk nicht mir einem bösen Hintergedanken verbunden ist.«
Neumann neigte den Kopf. Dem hatte er nichts entgegenzusetzen. Soweit er es verstanden hatte, war auch in Aksum das Machtgleichgewicht zwischen den verschiedenen Regionalfürsten sowie im Verhältnis zum Kaiser nicht immer so austariert, dass nicht jemand versuchen würde, einen missliebigen Negusa Nagast auch gewaltsam zu beseitigen. Dies hatte zwar noch nicht die Ausmaße angenommen wie in Rom, wo es leider mittlerweile üblich war, irgendeinen erfolgreichen Militär zum Imperator zu ernennen, um danach in einem jahrelangen Bürgerkrieg die tatsächlichen Machtverhältnisse zu klären, das hieß jedoch noch lange nicht, dass es in Aksum immer ruhig und entsprechend dem festgelegten Protokoll vorging.
Neumann nickte Africanus zu. Die anderen Expeditionsteilnehmer blieben zurück. Zusammen mit den Soldaten spazierten sie plaudernd zur überdachten Lagerfläche, unter der in Kisten und Ballen verpackt die mitgebrachten Güter lagen.
Hätte der Arzt angenommen, dass die Soldaten die Geschenke nur einer oberflächlichen Untersuchung unterziehen würden, so wäre sein Irrtum schnell offensichtlich geworden. Mit gewissenhafter Gründlichkeit öffneten die Männer jedes einzelne Packstück. Sie durchsuchten die mitgebrachten Stoffe, blickten in goldene Kelche und öffneten Schachteln. Dabei gingen sie durchaus behutsam vor, da ihnen der Wert der Waren offensichtlich bewusst war. Neumann hatte den Eindruck, dass diese Männer genau wussten, was sie taten, und darin eine gewisse Erfahrung hatten.
Schließlich blieben noch die kleinen, reich verzierten Holzkisten übrig, die ihnen der Statthalter von Adulis mit auf den Weg gegeben hatte. Je eine, die mit den aufwendigsten Verzierungen, waren für den Negusa Nagast sowie für dessen wahrscheinlichen Nachfolger Ouazebas gedacht. Der Offizier hieß einen seiner Männer, die Kisten vorsichtig zu öffnen. Der Soldat nahm sich zuerst die für den Kaiser vor. Er durchsuchte den Inhalt kurz, dann nickte er seinem Vorgesetzten zu und schloss das Behältnis wieder. Danach ergriff er die Kiste für den »Kronprinzen«, öffnete sie und sah hinein. Neumann äugte über die Schulter des Mannes, denn den Inhalt dieser Schatulle kannte er nicht. Er erblickte ein aus Gold gefertigtes Medaillon, in dessen Mitte ein beachtlicher Edelstein prangte. Der Soldat betrachtete die schöne Arbeit mit sichtlicher Bewunderung, klappte die Schachtel dann wieder zu und platzierte sie sorgsam auf dem flachen Tisch, von dem er sie aufgehoben hatte.
Damit war die Inspektion
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