Kaiserkrieger 5: Die Flucht (German Edition)
getan hatte.
Julia zwang sich, an etwas anderes zu denken. Wenn sie allzu lange Grübeleien über ihren Liebsten anstellte, führte dies fast automatisch zu tiefer Frustration. Sie aber benötigte für das, was jetzt vor ihr lag, einen klaren und vor allem kühlen Kopf.
»Gut … Julia«, sagte Claudia dann und nickte etwas zögerlich. »Es wird mir allerdings schwerfallen. Gewisse Dinge fallen nicht einfach so von einem ab.«
»Ich werde dich gerne immer wieder daran erinnern, wenn es sein muss«, meinte Julia halb ernsthaft, halb im Scherz. Tatsächlich wussten sie beide, dass in manchen Situationen Claudia die Rolle der Dienerin zumindest nach außen hin würde einnehmen müssen. Julia hoffte, dass diese Anlässe mit der Zeit immer weniger werden würden.
Der Akt der Freilassung hatte auch für sie selbst eine durchaus befreiende Wirkung, wie sie fand.
Die weitere Reise verlief ohne Ereignisse von Belang. Sie gewöhnten sich beide schnell an den schaukelnden Untergrund, sodass auch ihre körperliche Verfassung sich allmählich besserte. Der Wind stand günstig und der Segler kam ausgezeichnet voran. Es dauerte daher nur wenige Tage, bis sie die Silhouette Konstantinopels vor sich auftauchen sahen.
Die Ankunft löste große Aufregung an Bord des Segelschiffes aus. Dies hatte aber weniger mit dem Ende der Reise an sich zu tun, sondern vielmehr mit dem Anblick eines gigantischen, eisernen Schiffes, das aus großen Kaminen Dampf ausstieß und, begleitet von Seglern, die seltsam gebaut waren und auch Dampfwolken in den Himmel bliesen, fast zeitgleich mit ihnen die Hauptstadt erreichte. Jeder hatte von diesem Schiff bereits gehört, aber die wenigsten hatten es jemals zu Gesicht bekommen: Es war die
Saravica,
das legendäre Gefährt der Zeitenwanderer.
Julia beteiligte sich nicht an der allgemeinen Aufregung. Sie sah den dampfenden Koloss aus zusammengekniffenen Augen an. Die
Saravica
war aus Ravenna aufgebrochen mit Heermeister Rheinberg und vielen Zivilisten an Bord – dem Senator Symmachus beispielsweise, aber auch dem Senator Michellus. Julias Vater.
Es sah so aus, als würde sie schneller zu ihrer Familie zurückkehren, als sie es sich hatte träumen lassen.
36
Das Lager war im Aufbruch. Obgleich die Angriffe und Vorstöße von Maximus’ Truppen – wohl aufgrund des Todes von Andragathius – nachgelassen hatten, wollte Theodosius auf Nummer sicher gehen und trieb den Plan, nach Afrika überzusetzen, weiter voran. Emissäre hatten in den Provinzen die Ankunft der Loyalistenarmee bereits vorbereitet und so gingen alle davon aus, dass es möglich sein würde, die Überfahrt weitgehend reibungslos zu gestalten.
Teil des Planes war, weiter nach Süden zu marschieren, bis an die Südspitze Italiens, um möglichst viel Raum zwischen den Loyalisten und den Usurpatoren zu schaffen. Sobald Maximus einen neuen Heermeister ernannt hatte, würden die Angriffe mit großer Vehemenz wieder aufgenommen werden, dessen waren sich alle sicher. Aus diesem Grund wurde das Schiffsbauprogramm ebenso intensiv vorangetrieben wie die Rekrutierung von bereits existierenden Handels- und Transportschiffen für den Truppentransport. Trotzdem würden nicht alle Männer auf einen Schlag übersetzen können, aber derzeit ging man davon aus, dass die Überfahrt in drei Reisen mit je etwa 8000 bis 9000 Legionären erfolgen würde. Das Wetter spielte mit und die Überfahrt dauerte nicht lange. Man war daher guter Dinge, in Afrika den Widerstand gegen Maximus neu formieren zu können.
Das war vor allem deswegen notwendig, weil man aus dem Osten nichts hörte. Zuletzt war bekannt geworden, dass Rheinberg sich in der Tat in Konstantinopel aufhielt. Was dann aber geschehen war, wusste derzeit noch keiner. Theodosius war weise genug, sich nicht auf den Erfolg des Heermeisters zu verlassen. Er musste für sich selbst handeln.
So lud der Kaiser am Abend vor dem allgemeinen Aufbruch in sein Zelt. Offizieller Anlass war eine gemeinsame Abendmahlzeit aller führenden Offiziere und Berater. Jeder wusste aber, dass es vor allem darum gehen würde, die Kommandoposten in der Armee neu zu verteilen. Durch die vorübergehende Teilung der Streitkräfte für die Überfahrt waren Zuständigkeiten neu festzulegen. Der Anführer der ersten Einheit, die in Afrika landen würde, war außerdem für den Aufbau eines großen Feldlagers verantwortlich und für die Zusammenarbeit mit den afrikanischen Statthaltern. Der Kommandant der letzten
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