Kaiserkrieger 5: Die Flucht (German Edition)
würde, kam ihnen ein Trupp von Reitern entgegen. Neumann erkannte rasch, dass es sich um Soldaten der kaiserlichen Leibgarde handelte. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn, als die drei Männer direkt auf die Zeitenwanderer zusteuerten, ihre Pferde zügelten und respektvoll grüßten. Der Anführer der Männer sprach Griechisch, wahrscheinlich ein wesentlicher Grund, warum er ausgewählt worden war.
»Herr, ich bringe Euch Nachricht aus Aksum«, erklärte er und deutete eine Verbeugung an. Dann, ohne weiteres Zögern, überreichte er Neumann ein zusammengerolltes Pergament. Etwas nervös öffnete Neumann die Rolle, überflog die dort aufgeschriebenen Zeilen und sein Gesichtsausdruck verdüsterte sich mit jeder verstrichenen Sekunde.
Dann ließ er das Pergament sinken und sah seine Freunde an.
»Schlechte Nachrichten«, stellte Köhler fest.
»Der Aufstand des Maximus hat begonnen«, erklärte der Arzt. »Er hat Britannien verlassen und seine Truppen nach Belgien übergesetzt.«
»Verdammt, das ging schneller als erwartet«, meinte Behrens. »Wie alt ist diese Nachricht?«
»Bis sie Aksum erreicht hat? Ich weiß es nicht. Aber wenn es eine Schlacht gegeben hat, dann ist sie vorbei und wir werden bald erfahren, wer das Reich regiert.«
Für einen Moment herrschte betroffenes Schweigen.
»Wir müssen sofort aufbrechen und zur
Saarbrücken
stoßen«, erklärte Köhler bestimmt.
Neumann, Africanus und Behrens nickten lediglich. Die Aksumiten sagten nichts. Die Sorge in den Gesichtern ihrer Gäste war aussagekräftig genug.
Sie setzten den Weg nach Aksum in brütender Schweigsamkeit fort.
6
Von der Dachterrasse in diesem Teil des kaiserlichen Palastes hatte man einen schönen Blick über Konstantinopel. Unmittelbar vor ihnen erhob sich das beeindruckende Bauwerk des Hippodroms, das derzeit ruhig in der Abenddämmerung lag. Die Straßen der Stadt waren, wie fast immer, belebt und der Lärm drang bis an ihre Ohren. Noch war Konstantinopel nicht bei seiner größten Bevölkerungszahl angekommen. Obgleich die städtischen Behörden den Zuzug in die Metropole verhinderten, wo es nur ging, wuchs die Stadt beständig an. Erst die kommenden Pestepidemien würden die Summe wieder sinken lassen.
Ja, die Pest, erinnerte sich Rheinberg. Die stand auch auf irgendeiner Liste, wenn er sich recht erinnerte. Neumann hatte es einmal erwähnt. Er würde nicht sehr erfreut darüber sein, dass seine medizinische Akademie nur noch aus rauchenden Trümmern bestand. Rheinberg hoffte, dass Alexandria sich dem »richtigen« Kaiser anschließen würde, sodass die Rückreise der Aksum-Expedition nicht gefährdet war. Aber er konnte jetzt nichts für die Männer tun. Sobald sich die Gelegenheit ergab, würde er einen der Dampfsegler nach Ägypten schicken, um dort nach dem Rechten sehen zu lassen.
Konstantinopel, so schätzte Rheinberg, hatte derzeit um die 300 000 Einwohner und gehörte damit zweifelsohne zu den großen Metropolen des Reiches. Es gab Städte, deren Bevölkerungszahl größer geschätzt wurde, das besagte Alexandria gehörte sicher dazu. Rom selbst hatte den Zenith seiner Siedlungsdichte bereits überschritten und befand sich auf einem langsamen, aber unausweichlichen Abstieg, letztlich nur vor dem völligen Zusammenbruch gerettet, weil die Kirche dort ihr Zentrum etabliert hatte und das Papsttum den Zusammenbruch Westroms überleben und …
Rheinberg hielt inne und lächelte. Westrom würde nicht fallen, zumindest nicht so, wie er es aus seiner Geschichte kannte. Er erlitt derzeit einen Rückschlag, aber noch war nicht alles verloren.
Er drehte sich um und schaute über die Dachterrasse in die Festhalle, die sich direkt an diese anschloss. Ein großes Festessen wurde gegeben und alles, was in der Stadt Rang und Namen hatte, war gekommen. Die ermüdende Reihe an Notabeln, denen Rheinberg im Verlauf des Abends vorgestellt worden war, verwischte in seiner Erinnerung zu einer undefinierbaren Masse an Gesichtern, alle höflich, eins wie das andere, jedoch kaum eines dabei, an das er sich zu erinnern wünschte. Er hatte mittlerweile gelernt, mit solchen Anlässen umzugehen, konnte sein eigenes Gesicht in eine Maske scheinbar höflicher Aufmerksamkeit verwandeln, während er dahinter an ganz andere Dinge dachte. Sein Latein war mittlerweile gut genug, dass ihm nichtssagende Floskeln automatisch über die Lippen kamen, und soweit er sich erinnern konnte, hatte er sich auch an diesem Abend ganz ordentlich
Weitere Kostenlose Bücher