Kaiserkrieger 5: Die Flucht (German Edition)
etwas auf dem Herzen hatte, und Rheinberg hütete sich anzunehmen, dass sie nur die Absicht hatte, die begrenzte Auswahl an Abendgarderobe zum Thema zu machen. Sie achtete durchaus gerne auf ihr Äußeres, hatte aber nie fatale Fragen gestellt. Rheinbergs größte Befürchtung – »Schatz, sehe ich in diesem Kleid dick aus?« – würde angesichts der schlanken, ja muskulösen Statur seiner Angebeteten in Bälde sowieso nicht Realität werden können, dessen war er sich sicher.
»Was ist denn, meine Teuerste?«
Aurelia sah Rheinberg an und er ahnte, dass er mit schmeichelnden Worten derzeit auf verlorenem Posten stand. Also schwieg er klug und wartete. Seine Gefährtin wirkte ernst. Rheinberg begann, sich ein klein wenig Sorgen zu machen.
»Ich habe mit einigen der Sklaven gesprochen. Man hat mich nämlich zuerst in die Sklavenunterkünfte geführt. Offenbar hat man meine Rolle in deinem Gefolge … missverstanden.«
Aurelia sagte das ohne Vorwurf, also beschloss Rheinberg, darüber auch erst später empört zu sein. Er hatte da eine manchmal schon schmerzhaft pragmatische Geliebte, sagte er sich nicht ohne Stolz. Doch es kam noch mehr.
»Die Sklaven dort haben mich zur Seite genommen, um mich zu warnen. Demnach gäbe es Vorbereitungen, uns alle festsetzen zu lassen – im Auftrage des Maximus.«
Aurelia sprach in tiefem Ernst und ihr Blick verriet, dass sie an das glaubte, was sie soeben geäußert hatte.
Rheinberg starrte sie für einen Moment entgeistert an. Konnte er denn so einfältig sein? Es hatte sich bisher nicht das geringste Anzeichen dafür gezeigt, dass Modestus und die anderen Mitglieder des Konsistoriums sich auf die Seite des Usurpators geschlagen hätten. Niemand, wirklich niemand hatte bisher einen solchen Verdacht geäußert. Und was Aurelia da gehört hatte, konnte sehr gut das verschwörerische Geschwätz von Domestiken sein, die nichts anderes zu tun hatten, als sich über die Ränkespiele der Mächtigen den Mund zu zerreißen.
Der Zweifel stand Rheinberg ins Gesicht geschrieben. Aurelia hatte offenbar nichts anderes erwartet.
»Du glaubst dem nicht, weil es das Gerede von Sklaven ist.«
Der junge Mann hob abwehrend die Hände. Er war eher der Ansicht, dass es ihm immer noch an der notwendigen permanenten Paranoia eines römischen Politikers mangelte, um derlei Gerüchte sofort für bare Münze zu nehmen.
Aber das sagte er nicht laut, da Aurelia ihm zweifelsohne sofort zugestimmt hätte.
»Mein Zweifel hat nichts mit dem Status deiner Quellen als Sklaven zu tun«, meinte er. »Aber selbst zu meiner Zeit, wo es schon lange keine Sklaverei mehr gibt, wusste doch jeder, dass in den Küchen, Kellern und Kammern alles Mögliche gemunkelt wird, was sich im Nachhinein als falsch oder zumindest nur halb wahr herausgestellt hat. Natürlich wird es auch unter den höheren Beamten des Palastes einige geben, die mit Maximus kein Problem hätten, und vielleicht haben sie dieser Ansicht bei Gelegenheit auch mal Luft gemacht. Das war zu erwarten. Dennoch, gleich in vorauseilendem Gehorsam uns alle festsetzen und damit dem Widerstand gegen Maximus das Genick brechen, das ist …«
»… eine hervorragende Gelegenheit, ohne Krieg und weiteres Blutvergießen den Konflikt zu beenden oder zumindest radikal zu verkürzen«, ergänzte Aurelia trocken. »Ich bin keine Närrin, Jan! Ich bin unter gebildeten Menschen aufgewachsen und habe selbst viel gelernt. Ich war das Werkzeug jener, die dir nach dem Leben trachten! Ich weiß, wie die denken und wie sie arbeiten. Du glaubst mir nicht? Gut. Aber behalte den Gedanken im Hinterkopf. Und soweit ich es kann, werde ich mich weiter umhören.«
Rheinberg nickte langsam. Die Tatsache, dass sich Aurelia nicht aufregte, sondern stattdessen kühl und überlegt argumentierte, gab ihm mehr zu denken, als wenn sie sich groß über seine mangelnde Einsichtsfähigkeit echauffiert hätte. Dennoch widerstrebte es ihm, den Worten zu glauben. Rom konnte nicht so schlecht sein. Es musste doch auch ehrbare, ehrliche, vertrauenswürdige Leute geben. Wenn nicht, wäre es vielleicht gar nicht so entsetzlich, wenn dieser Staat von den Hunnen fortgefegt werden würde. Was war es dann wert, das Reich zu verteidigen, wenn es sich letztlich nur als ein korrupter Sumpf der Machtgier und des permanenten Strebens nach dem persönlichen Vorteil entpuppen sollte? Nein, Rheinberg war noch nicht bereit, diesen Weg zu gehen; es war ein Pfad, der ihn, das wusste er, in einen seelischen
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