Kaiserkrieger 5: Die Flucht (German Edition)
Rheinberg düpierte oder nicht. Tatsache war, dass ihm alles selbst gehörig auf die Nerven ging.
Nach wenigen Minuten, die einleitenden Höflichkeitsfloskeln waren bewältigt, wurde klar, dass auch diese Gesprächsrunde genauso wie immer ablaufen würde. Engus sprach. Die anderen antworteten, ohne etwas von Bedeutung hinzuzufügen, und Engus sagte wieder etwas, mit leichter Variation, das auf die gleiche Weise von seinen Gefolgsleuten kommentiert wurde. Godegisel ertappte sich dabei, wie er den Kopf schüttelte und der Ärger in ihm hochzukochen begann.
Er hatte genug.
Endgültig genug.
Er holte tief Luft und hob aufmerksamkeitsheischend die Hand. Das Gespräch verstummte sofort, was ein weiterer Hinweis darauf war, für wie unwichtig es selbst die Diskutanten gehalten hatten. Außerdem waren sie Einwürfe ihres Gastes ja gewohnt. Ihn reden zu lassen, so schien es, gehörte zur Strategie des Hinhaltens.
»Ich werde abreisen und dem Heermeister mitteilen, dass die Goten ihn nicht zu unterstützen gedenken«, erklärte Godegisel in freundlichem Tonfall. »Der Heermeister wird sicher seine Schlüsse daraus ziehen, vor allem bezüglich der Frage, ob Milde und Gnade gegenüber unserem Volk ein zweites Mal angebracht sind oder ob jene, die nicht mit ihm waren, als die schwerste Stunde nahte, an dieses Versäumnis zu gegebener Zeit erinnert werden sollten.«
Dann erhob er sich.
»Ich danke für Euer aller Gastfreundschaft. Aber jetzt eilt es mich, zu meinem Herrn zurückzukehren und genau zu berichten, was Ihr mir auf den Weg gegeben habt. Ich danke Euch für Eure Geduld mit mir.«
Der letzte Satz musste nicht nur in seinen eigenen, sondern auch in den Ohren von Engus wie reiner Hohn klingen, und so war es ja auch gemeint. Er las in den Gesichtern, durchaus mit Genugtuung, Überraschung, ein wenig Schrecken und eine Andeutung von Angst.
Ohne einen weiteren Kommentar wandte er sich ab und durchmaß den Raum zur Tür, hinter der sich sein Gastgemach verbarg. In Vorbereitung seiner Aktion hatte er in der vergangenen Nacht bereits seine Sachen reisefertig zusammengepackt. Sein Pferd wusste er gut ausgeruht und gepflegt im Stall des Engus. Dem sofortigen Aufbruch stand nun nichts mehr entgegen.
Er nahm seinen Packen und warf ihn sich über die Schulter. Dann war er bereits wieder aus der Tür. Engus und die Seinen saßen immer noch im Hauptraum und unterhielten sich mit aufgebrachten Worten. Sie verstummten, als Godegisel zurückkam. Einer der Männer erhob sich und wollte ihn ansprechen, doch der junge Mann marschierte mit einem höflichen Lächeln und einer angedeuteten Verneigung an ihm vorbei, als habe er nicht mehr als einen netten Abschiedsgruß zu erwarten, für den jetzt aber keine Zeit mehr war.
Er trat ins Freie und spazierte sofort auf den Stall zu. Kaum hatte er diesen betreten, war er auch schon damit beschäftigt, sein Pferd zu satteln. Das Tier scharrte ungeduldig mit den Hufen, als es seinen Herrn wahrnahm, offenbar war auch dem Pferd die Warterei mittlerweile zu viel und es freute sich über die Aussicht, endlich aufbrechen zu dürfen. Godegisels geübte Handbewegungen wurden unterbrochen, als sich Engus zu ihm in den Stall begab.
Er sah Godegisel einen Augenblick bei seinem Tun zu, dann räusperte er sich.
Der junge Gote wandte sich um und sah den Anführer fragend an. Hätte Godegisel Hufe gehabt, so wäre auch von ihm ein Scharren vernehmbar gewesen.
»Ich habe damit gerechnet, dass das passiert«, sagte Engus. »Wir haben es wohl etwas übertrieben, ja?«
»In der Tat. Meine Geduld ist am Ende.«
»Meine Situation ist schwierig.«
»Die Situation des Reiches ist auch schwierig. Wir haben alle unsere Probleme, wir müssen nur entscheiden, welche wichtiger sind und welche wir übergehen müssen.« Warum er gerade jetzt schmerzhaft an eine Köhlerstochter in Belgica denken musste, wusste Godegisel ganz genau. Der kleine Stich in der Herzgegend beflügelte ihn nur darin, jetzt nicht mehr zurückzuweichen.
Engus schaute auf das Pferd, als würde ihm das Tier bei der Lösung seines Dilemmas helfen können.
»Ich kann nicht tun, was der Heermeister von mir erwartet.«
»Der Heermeister erwartet nicht mehr als von jedem anderen römischen Bürger«, erwiderte Godegisel kalt. »Die Goten haben die Bürgerschaft doch angenommen, oder?«
»Sarkasmus hilft uns nicht weiter.«
»Sarkasmus hält mich davon ab, meine lieben Landsleute einfach einen nach dem anderen zu verprügeln«, erwiderte
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